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Deutsche Rundschau.
sagt er selbst, und sein Bruder Otto sagt es auch, und alle Welt sagt es — so könnt' er Ihnen, da der ideale Schwiegersohn Mn 'mal eine Unmöglichkeit ist, wenigstens eine ideale Schwiegertochter ins Haus sühren, eine reizende, junge Person, vielleicht eine Schauspielerin ..."
„Ich bin nicht sür Schauspielerinnen ..."
„Oder eine Malerin, oder eine Pastors- oder eine Professorentochter . . ."
Die Commerzienräthin stutzte bei diesem letzten Worte und streifte Corinna stark, wenn auch flüchtig. Indessen wahrnehmend, daß diese heiter und unbefangen blieb, schwand ihre Furchtanwandlung ebenso schnell wie sie gekommen war. „Ja, Leopold," sagte sie, „den Hab' ich noch. Aber Leopold ist ein Kind. Und seine Verheirathung steht jedenfalls noch in weiter Ferne. Wenn er aber käme..." Und die Commerzienräthin schien sich allen Ernstes — vielleicht weil es sich um etwas noch „in so weiter Ferne" Liegendes handelte — der Vision einer idealen Schwiegertochter hingeben zu wollen, kam aber nicht dazu, weil in eben diesem Augenblicke der aus seiner Obersecunda kommende Professor eintrat und seine Freundin, die Räthin, mit vieler Artigkeit begrüßte.
„Stör' ich?"
„In Ihrem eigenen Hause? Nein, lieber Professor; Sie können überhaupt nie stören. Mit Ihnen kommt immer das Licht. Und wie Sie waren, so sind Sie geblieben. Aber mit Corinna bin ich nicht zufrieden. Sie spricht so modern und verleugnet ihren Vater, der immer nur in einer schönen Gedankenwelt lebte . . ."
„Nun ja, ja," sagte der Professor. „Man kann es so nennen. Aber ich denke, sie wird sich noch wieder zurückflnden. Freilich, einen Stich ins Moderne Wird sie Wohl behalten. Schade. Das war anders als wir jung waren, da lebte man noch in Phantasie und Dichtung ..."
Er sagte das so hin, mit einem gewissen Pathos, als ob er seinen Secun- danern eine besondere Schönheit aus dem Horaz oder aus dem Parcival (denn er war Classiker und Romantiker zugleich) zu demonstriren hätte. Sein Pathos war aber doch etwas theatralisch gehalten und mit einer seinen Ironie gemischt, die die Commerzienräthin auch klug genug war, herauszuhören. Sie hielt es indessen trotzdem für angezeigt, einen guten Glauben zu zeigen, nickte deshalb nur und sagte: „Ja, schöne Tage, die nie wiederkehren."
„Nein," sagte der in seiner Rolle mit dem Ernst eines Großinquisitors sortfahrende Wilibald. „Es ist vorbei damit; aber man muß eben weiter leben."
Eine halbverlegene Stille trat ein, während welcher man, von der Straße her, einen scharfen Peitschenknips hörte.
„Das ist ein Mahnzeichen," warf jetzt die Commerzienräthin ein, eigentlich froh der Unterbrechung. „Johann unten wird ungeduldig. Und wer hätte den Muth, es mit einem solchen Machthaber zu verderben."
„Niemand," erwiderte Schmidt. „An der guten Laune unserer Umgebung hängt unser Lebensglück; ein Minister bedeutet mir wenig, aber die Schmolle..."
„Sie treffen es wie immer, lieber Freund."