Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Fünftes Capitel.

Unter den Letzten, die, den Vorgarten passirend, das commerzienräthliche Haus verließen, waren Marcell und Corinna. Diese plauderte nach wie vor in übermüthiger Laune, was des Vetters mühsam zurückgehaltene Verstimmung nur noch steigerte. Zuletzt schwiegen beide.

So gingen sie schon fünf Minuten nebeneinander her, bis Corinna, die sehr gut wußte, was in Marcell's Seele vorging, das Gespräch wieder ausnahm. Nun, Freund, was gibt es?"

Nichts."

Nichts?"

Oder wozu soll ich es leugnen, ich bin verstimmt."

Worüber?"

lieber Dich. Ueber Dich, weil Du kein Herz hast."

Ich? Erst recht Hab' ich . . ."

Weil Du kein Herz hast, sag' ich, keinen Sinn für Familie, nicht einmal für Deinen Vater ..."

Und nicht einmal für meinen Vetter Marcell ..."

Nein, den laß aus dem Spiel, von dem ist nicht die Rede. Mir gegen­über kannst Du thun, was Du willst. Aber Dein Vater. Da läßt Du nun heute den alten Mann einsam und allein und kümmerst Dich so zu sagen um gar nichts. Ich glaube, Du weißt nicht einmal, ob er zu Haus ist oder nicht."

Freilich ist er zu Haus. Er hat ja heut' seinen ,Abend', und wenn auch nicht Alle kommen, etliche vom hohen Olymp werden Wohl da sein."

Und Du gehst aus und überlässest Alles der alten guten Schmolle?"

Weil ich es ihr überlassen kann. Du weißt das ja so gut wie ich; es geht Alles wie am Schnürchen, und in diesem Augenblick essen sie wahrscheinlich Oder- kreüse und trinken Mosel. Nicht Treibel'schen, aber doch Professor Schmidt'schen, einen edlen Trarbacher, von dem Papa behauptet, er sei der einzige reine Wein in Berlin. Bist Du nun zufrieden?"

Nein."

Dann fahre fort."

Ach, Corinna, Du nimmst Alles so leicht und denkst. Wenn Du's leicht nimmst, so hast Du's aus der Welt geschafft. Aber es glückt Dir nicht. Die Dinge bleiben doch schließlich, was und Wie sie sind. Ich habe Dich nun bei Tisch beobachtet ..."

Unmöglich, Du hast ja der jungen Frau Treibel ganz intensiv den Hof gemacht, und ein paar Mal wurde sie sogar roth ..."

Ich habe Dich beobachtet, sag' ich, und mit einem wahren Schrecken das Uebermaß von Koketterie gesehen, mit dem Du nicht müde wirst, dem armen Jungen, dem Leopold, den Kops zu verdrehen ..."

Sie hatten, als Marcell dies sagte, gerade die platzartige Verbreiterung erreicht, mit der die Köpnickerstraße, nach der Jnselbrücke hin, abschließt, eine Verkehrslose und beinahe menschenleere Stelle. Corinna zog ihren Arm aus dem des Vetters und sagte, während sie nach der anderen Seite der Straße zeigte: