Irau Zenny Hreiöel
oder
„Ilo sich Kerz zum Kerzen stnd't".
Roman
von
Theodor Fontane.
Sechstes Capitel.
Um dieselbe Stunde, wo man sich bei Treibel's vom Diner erhob, begann Professor Schmidt's „Abend". Dieser „Abend", auch Wohl Kränzchen genannt, versammelte, wenn man vollzählig war, um einen runden Tisch und eine mit einem rothen Schleier versehene Moderateurlampe sieben Gymnasiallehrer, von denen die meisten den Professortitel führten. Außer unserem Freunde Schmidt waren es noch folgende: Friedrich Distelkamp, emeritirter Gymnasialdirector, Senior des Kreises; nach ihm die Professoren Rindfleisch und Hannibal Kuh, zu welchen beiden sich noch Oberlehrer Immanuel Schultze gesellte, sämmtlich vom Großen Kurfürsten-Gymnasium. Den Schluß machte vr. Charles Etienne, Freund und Studiengenosse Marcell's, zur Zeit französischer Lehrer an einem vornehmen Mädchenpensionat, und endlich Zeichenlehrer Friedeberg, dem, vor ein paar Jahren erst — Niemand wußte recht warum und woher — der die Mehrheit des Kreises auszeichnende Professortitel angeflogen war, übrigens ohne sein Ansehen zu heben. Er wurde vielmehr, nach wie vor, für nicht ganz voll angesehen, und eine Zeitlang war aufs ernsthafteste die Rede davon gewesen, ihn, wie sein Hauptgegner Immanuel Schultze vorgeschlagen, aus ihrem Kreise „heraus zu graulen", was unser Wilibald Schmidt indessen mit der Bemerkung bekämpft hatte, daß Friedeberg, trotz seiner wissenschaftlichen Nichtzugehörigkeit, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für ihren „Abend" habe. „Seht, lieben Freunde," so etwa waren seine Worte gewesen, „wenn wir unter uns sind, so folgen wir unseren Auseinandersetzungen eigentlich immer nur aus Rücksicht und Artigkeit und leben dabei mehr oder weniger der Ueberzeugung, Alles, was seitens des Anderen gesagt wurde, viel besser oder — wenn wir bescheiden sind — wenigstens ebenso gut sagen zu können. Und das lähmt immer. Ich für mein Theil
Deutsche Rundschau. XVIII, 5. 11