Frau Jenny Treibel.
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„O, da freu' ich mich. Aber freilich, Papa thut sich nicht gerne Zwang an, und feine Bequemlichkeit und seine Pfeife sind ihm lieber, als ein junger Engländer, der vielleicht dreimal um die Welt gefahren ist. Papa ist gut, aber einseitig und eigensinnig."
„Das kann ich nicht zugeben, Corinna. Dein Papa ist ein Juwel, das weiß ich am besten."
„Er unterschätzt alles Aeußerliche, Besitz und Geld, und überhaupt Alles, was schmückt und schön macht."
„Nein, Corinna, sage das nicht. Er sieht das Leben von der richtigen Seite an; er weiß, daß Geld eine Last ist und daß das Glück ganz wo anders liegt." Sie schwieg bei diesen Worten und seufzte nur leise. Dann aber fuhr sie fort: „Ach, meine liebe Corinna, glaube mir, kleine Verhältnisse, das ist das, was allein glücklich macht."
Corinna lächelte. „Das sagen Alle die, die drüber stehen und die kleinen Verhältnisse nicht kennen."
„Ich kenne sie, Corinna."
„Ja, von früher her. Aber das liegt nun zurück und ist vergessen oder Wohl gar verklärt. Eigentlich liegt es doch so: Alles möchte reich sein, und ich verdenke es Keinem. Papa freilich, der schwört noch auf die Geschichte von dem Kameel und dem Nadelöhr. Aber die junge Welt . . ."
„. . . Ist leider anders. Nur zu wahr. Aber so gewiß das ist, so ist es doch nicht so schlimm damit, wie Du Dir's denkst. Es Wäre auch zu traurig, wenn der Sinn für das Ideale verloren ginge, vor Allem in der Jugend. Und in der Jugend lebt er auch noch. Da ist zum Beispiel Dein Vetter Marcell, den Du beiläufig morgen auch treffen wirst (er hat schon zugesagt), und an dem ich wirklich nichts weiter zu tadeln wüßte, als daß er Wedderkopp heißt. Wie kann ein so seiner Mann einen so störrischen Namen führen! Aber wie dem auch sein möge, wenn ich ihn bei Otto's treffe, so spreche ich immer so gern mit ihm. Und warum? Bloß weil er die Richtung hat, die man haben soll. Selbst unser guter Krola sagte mir erst neulich, Marcell sei eine von Grund aus ethische Natur, was er noch höher stelle als das Moralische; worin ich ihm, nach einigen Aufklärungen von seiner Seite, beistimmen mußte. Nein, Corinna, gib den Sinn, der sich nach oben richtet, nicht auf, jenen Sinn, der von dorther allein das Heil erwartet. Ich habe nur meine beiden Söhne, Geschäftsleute, die den Weg ihres Vaters gehen, und ich muß es geschehen lassen; aber wenn mich Gott durch eine Tochter gesegnet hätte, die wäre mein gewesen, auch im Geist, und wenn sich ihr Herz einem armen, aber edlen Manne, sagen wir einem Manne wie Marcell Wedderkopp, zugeneigt hätte ..."
„. . . So wäre das ein Paar geworden," lachte Corinna. „Der arme Marcell! Da hätll er nun sein Glück machen können, und muß gerade die Tochter fehlen."
Die Commerzienräthin nickte.
„Ueberhaupt ist es schade, daß es so selten klappt und Paßt," fuhr Corinna fort. „Aber Gott sei Dank, gnädigste Frau haben ja noch den Leopold, jung und unverheirathet, und da Sie solche Macht über ihn haben — so wenigstens