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Deutsche Rundschau.
Atrappe voll Consitüren von Hövell oder Kranzler, oder auch ein kleines Necessaire ist drin. Und wenn dann all' die Gäste die Eier gefunden haben, dann nimmt jeder Herr seine Dame, und man geht zu Tisch. Ich bin durchaus für Jugend, aber für Jugend mit Wohlleben und hübschen Gesellschaften."
„Das höre ich gern, Corinna, wenigstens gerade jetzt; denn ich bin hier, um Dich einzuladen, und zwar aus morgen schon; es hat sich so rasch gemacht. Ein junger Mr. Nelson ist nämlich bei Otto Treibel's angekommen (das heißt aber, er wohnt nicht bei ihnen) ein Sohn von Nelson L Co. aus Liverpool, mit denen mein Sohn Otto seine Hauptgeschäftsverbindung hat. Und Helene kennt ihn auch. Das ist so hamburgisch, die kennen alle Engländer, und wenn sie sie nicht kennen, so thun sie wenigstens so. Mir unbegreiflich. Also Mr. Nelson, der übermorgen schon wieder abreist, um den handelt es sich; ein lieber Geschäftsfreund, den Otto's durchaus einladen mußten. Das verbot sich aber leider, weil Helene 'mal wieder Plätttag hat, was nach ihrer Meinung allem Anderen vorgeht, sogar im Geschäft. Da haben wir's denn übernommen, offen gestanden nicht allzu gern, aber doch auch nicht geradezu ungern. Otto war nämlich, Während seiner englischen Reise, wochenlang in dem Nelson'schen Hause zu Gast. Du siehst daraus, wie's steht und wie sehr mir an Deinem Kommen liegen muß; Du sprichst Englisch und hast Alles gelesen und hast vorigen Winter auch Mr. Booth als Hamlet gesehen. Ich weiß noch recht gut, wie Du davon schwärmtest. Und englische Politik und Geschichte wirst Du natürlich auch Wissen, dafür bist Du ja Deines Vaters Tochter."
„Nicht viel weiß ich davon, nur ein bischen. Ein bischen lernt man ja."
„Ja, jetzt, liebe Corinna. Du hast es gut gehabt und Alle haben es jetzt gut. Aber zu meiner Zeit, da war es anders, und wenn mir nicht der Himmel, dem ich dafür danke, das Herz für das Poetische gegeben hätte, was, wenn es Aral in einem lebt, nicht wieder auszurotten ist, so hätte ich nichts gelernt und wüßte nichts. Aber, Gott sei Dank, ich habe mich an Gedichten herangebildet, und wenn man viele davon auswendig Weiß, so weiß man doch Manches. Und daß es so ist, sieh', das verdanke ich nächst Gott, der es in meine Seele pflanzte, Deinem Vater. Der hat das Blümlein groß gezogen, das sonst drüben in dem Ladengeschäft unter all' den prosaischen Menschen — und Du glaubst gar nicht, wie prosaische Menschen es gibt — verkümmert wäre. . . Wie geht es denn mit Deinem Vater? Es muß ein Vierteljahr sein oder länger, daß ich ihn nicht gesehen habe, den 14. Februar, an Otto's Geburtstag. Aber er ging so früh, weil so viel gesungen wurde."
„Ja, das liebt er nicht. Wenigstens dann nicht, wenn er damit überrascht Wird. Es ist eine Schwäche von ihm, und Manche nennen es eine Unart."
„O, nicht doch, Corinna, das darfst Du nicht sagen. Dein Vater ist bloß ein origineller Mann. Ich bin unglücklich, daß man seiner so selten habhaft Werden kann. Ich hätt' ihn auch zu morgen gerne mit eingeladcn, aber ich bezweifle, daß Mr. Nelson ihn interessirt, und von den Anderen ist nun schon gar nicht zu sprechen; unser Freund Krola wird morgen Wohl wieder singen, und Assessor Goldammer seine Polizeigeschichten erzählen und sein Kunststück mit dem Hut und den zwei Thalern machen."