Heft 
(1892) 70
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Frau Jenny Treidel.

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Glasschale hernieder der alte Rechnungsrath in Frack und rothem Adlerorden, die geborne Schwerin mit starken Backenknochen und Stubsnase, was, trotz einer ausgesprochenen Bürgerlichkeit, immer noch mehr aus die pommersch-uckermärkischen Träger des berühmten Namens, als aus die spätere, oder, wenn man will, auch viel frühere posensche Linie hindeutete.

Liebe Corinna, wie nett Du dies Alles zu machen verstehst und wie hübsch es doch bei Euch ist, so kühl und so srisch und die schönen Hyacinthen. Mit den Apfelsinen verträgt es sich freilich nicht recht, aber das thut nichts, es sieht so gut aus . . . Und nun legst Du mir in Deiner Sorglichkeit auch noch das Sophakissen zurecht! Aber verzeih', ich sitze nicht gern auf dem Sopha; das ist immer so weich, und man sinkt dabei so tief ein. Ich setze mich lieber hier in den Lehnstuhl und sehe zu den alten, lieben Gesichtern da hinauf. Ach, war das ein Mann; gerade wie Dein Vater. Aber der alte Rechnungsrath war beinah' noch verbindlicher, und einige sagten auch immer, er sei so gut wie von der Colonie. Was auch stimmte. Denn seine Großmutter, wie Du freilich besser weißt als ich, war ja eine Charpentier, Stralauer-Straße."

Unter diesen Worten hatte die Commerzienräthin in einem hohen Lehnstuhle Platz genommen und sah mit dem Lorgnon nach denlieben Gesichtern" hinauf, deren sie sich eben so huldvoll erinnert hatte, während Corinna fragte, ob sie nicht etwas Mosel und Selterwasser bringen dürfe, es sei so heiß.

Nein, Corinna, ich komme eben vom Lunch, und Selterwasser steigt mir immer so zu Kopf. Sonderbar, ich kann Sherry vertragen und auch Port, wenn er lange gelagert hat, aber Mosel und Selterwasser, das benimmt mich ... Ja, sieh' Kind, dies Zimmer hier, das kenne ich nun schon vierzig Jahre und darüber, noch aus Zeiten her, wo ich ein halbwachsen Ding war, mit kastanien­braunen Locken, die meine Mutter, so viel sie sonst zu thun hatte, doch immer mit rührender Sorgfalt wickelte. Denn damals, meine liebe Corinna, war das Rothblonde noch nicht so Mode wie jetzt, aber kastanienbraun galt schon, besonders wenn es Locken waren, und die Leute sahen mich auch immer darauf an. Und Dein Vater auch. Er war damals noch ein Student und dichtete. Du wirst es kaum glauben, wie reizend und wie rührend das Alles war, denn die Kinder wollen es immer nicht wahr haben, daß die Eltern auch einmal jung waren und gut aussahen und ihre Talente hatten. Und ein paar Gedichte waren an mich gerichtet, die Hab' ich mir aufgehoben bis diesen Tag, und Wenn mir schwer ums Herz ist, dann nehme ich das kleine Buch, das ursprünglich einen blauen Deckel hatte (jetzt aber Hab' ich es in grünen Maroquin binden lassen) und setze mich ans Fenster und sehe auf unfern Garten und weine mich still aus, ganz still, daß es Niemand sieht, am wenigsten Treibet oder die Kinder. Ach Jugend! Meine liebe Corinna, Du weißt gar nicht, welch' ein Schatz die Jugend ist, und wie die reinen Gefühle, die noch kein rauher Hauch getrübt hat, doch unser Bestes sind und bleiben."

Ja," lachte Corinna,die Jugend ist gut. Aber ,Commerzienräthin^ ist auch gut und eigentlich noch besser. Ich bin für einen Landauer und einen Garten um die Villa herum. Und wenn Ostern ist und Gäste kommen, natürlich recht viele, so werden Ostereier in dem Garten versteckt, und jedes Ei ist eine