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Deutsche Rundschau.
sinnende Vogelsang'sche Droschke rasch und beinahe gewaltsam ab; dann kam Corinna sammt ihrem Vetter Marcell Wedderkopp (beide zu Fuß) und schließlich suhr Johann, der Commerzienrath Treibel'sche Kutscher, vor, und dem mit blauem Atlas ausgeschlagenen Landauer — derselbe, darin gestern die Commerzienräthin ihren Besuch bei Corinna gemacht hatte — entstiegen zwei alte Damen, die von Johann mit ganz besonderem und beinahe überraschlichem Respect behandelt wurden. Es erklärte sich dies aber einfach daraus, daß Treibet, gleich bei Beginn dieser ihm wichtigen und jetzt etwa um dritthalb Jahre zurückliegenden Bekanntschaft, zu seinem Kutscher gesagt hatte: „Johann, ein für allemal, diesen Damen gegenüber immer Hut in Hand. Das Andere, Du verstehst mich, ist meine Sache." Dadurch waren die guten Manieren Johanns außer Frage gestellt. Beiden alten Damen ging Treibet jetzt bis in die Mitte des Vorgartens entgegen, und nach lebhaften Becomplimentirungen, an denen auch die Commerzienräthin theilnahm, stieg man wieder die Gartentreppe hinauf und trat, von der Veranda her, in den großen Empfangssalon ein, der bis dahin, weil das schöne Wetter zum Verweilen im Freien einlud, nur von Wenigen betreten worden war. Fast Alle kannten sich von früheren Treibel'schen Diners her; nur Vogelfang und Nelson waren Fremde, was den partiellen Vorstellungsact erneuerte. „Darf ich Sie," wandte sich Treibet an die zuletzt erschienenen alten Damen, „mit zwei Herren bekannt machen, die mir heute zum ersten Male die Ehre ihres Besuches geben: Lieutenant Vogelfang, Präsident unseres Wahlcomitss, und Mr. Nelson trom Liverpool." Man verneigte sich gegenseitig. Dann nahm Treibet Vogelsang's Arm und flüsterte diesem, um ihn einigermaßen zu orien- tiren, zu: „Zwei Damen vom Hofe; die korpulente: Frau Majorin von Ziegenhals, die nicht korpulente (worin sie mir zustimmen werden): Fräulein Edwine von Bomst."
„Merkwürdig," sagte Vogelfang. „Ich würde, die Wahrheit zu gestehen . . ."
„Eine Vertauschung der Namen für angezeigt gehalten haben. Da treffen Sie's, Vogelfang. Und es freut mich, daß Sie ein Auge für solche Dinge haben. Da bezeugt sich das alte Lieutenantsblut. Ja, diese Ziegenhals; einen Meter Brustweite wird sie Wohl haben, und es lassen sich allerhand Betrachtungen darüber anstellen, werden auch Wohl seiner Zeit angestellt worden sein. Im klebrigen, es sind das so die scherzhaften Widerspiele, die das Leben erheitern. Klopstock War Dichter, und ein Anderer, den ich noch persönlich gekannt habe, hieß Griepenkerl ... Es trifft sich, daß uns beide Damen ersprießliche Dienste leisten können."
„Wie das? Wie so?"
„Die Ziegenhals ist eine rechte Cousine von dem Zoffener Landesältesten, und ein Bruder der Bomst hat sich mit einer Pastorstochter aus der Storkower Gegend ehelich vermählt. Halbe Mesalliance, die wir ignoriren müssen, Weil wir Vortheil daraus ziehen. Man muß, wie Bismarck, immer ein Dutzend Eisen im Feuer haben ... Ah, Gott sei Dank. Johann hat den Rock gewechselt und gibt das Zeichen. Allerhöchste Zeit. . . Eine Viertelstunde warten, geht; aber zehn Minuten darüber ist zu viel . . . Ohne mich ängstlich zu belauschen, ich höre, wie der Hirsch nach Wasser schreit. Bitte, Vogelfang, führen Sie meine Frau . . . Liebe Corinna,
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