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Deutsche Rundschau.
Frau Jenny präsentirte sich in vollem Glanz, und ihre Herkunft aus dem kleinen Laden in der Adlerstraße war in ihrer Erscheinung bis auf den letzten Rest getilgt. Alles wirkte reich und elegant; aber die Spitzen auf dem veilchen- farbenen Brokatkleide, so viel mußte gesagt werden, thaten es nicht allein, auch nicht die kleinen Brillantohrringe, die bei jeder Bewegung hin und her blitzten; nein, was ihr mehr als alles Andere eine gewisse Vornehmheit lieh, war die sichere Ruhe, womit sie zwischen ihren Gästen thronte. Keine Spur von Aufregung gab sich zu erkennen, zu der allerdings auch keine Veranlassung vorlag. Sie wußte, was in einem reichen und aus Repräsentation gestellten Hause brauchbare Dienstleute bedeuten, und so wurde denn Alles, Was sich nach dieser Seite hin nur irgend wie bewährte, durch hohen Lohn und gute Behandlung festgehalten. Alles ging in Folge davon wie am Schnürchen, auch heute wieder, und ein Blick Jenny's regierte das Ganze, wobei das untergeschobene Luftkissen, das ihr eine dominirende Stellung gab, ihr nicht wenig zu Statten kam. In ihrem Sicherheitsgefühl War sie zugleich die Liebenswürdigkeit selbst. Ohne Furcht, wirthschastlich irgend etwas ins Stocken kommen zu sehen, konnte sie sich selbstverständlich auch den Pflichten einer gefälligen Unterhaltung widmen, und weil sie's störend empfinden mochte — den ersten Begrüßungsmoment abgerechnet —, zu keinem einzigen intimeren Gesprächsworte mit den adligen Damen gekommen zu sein, so wandte sie sich jetzt über den Tisch hin an die Bomst und fragte voll anscheinender oder vielleicht auch voll wirklicher Theilnahme: „Haben Sie, mein gnädigstes Fräulein, neuerdings etwas von Prinzeß Anisettchen gehört? Ich habe mich immer für diese junge Prinzessin lebhaft interessirt, ja, für die ganze Linie des Hauses. Sie soll glücklich verheirathet sein. Ich höre so gern von glücklichen Ehen, namentlich in der Obersphäre der Gesellschaft, und ich möchte dabei bemerken dürfen, es scheint mir eine thörichte Annahme, daß auf den Höhen der Menschheit das Eheglück ausgeschlossen sein solle."
„Gewiß," unterbrach hier Treibet übermüthig, „ein solcher Verzicht aus das denkbar Höchste . . ."
„Lieber Treibet," fuhr die Räthin fort, „ich richtete mich an das Fräulein v. Bomst, das, bei jedem schuldigen Respect vor Deiner sonstigen Allgemein- kenntniß, mir in Allem, was „Hof" angeht, doch um ein Erhebliches competenter ist als Du."
„Zweifellos," sagte Treibet. Und die Bomst, die dies eheliche Intermezzo mit einem sichtlichen Behagen begleitet hatte, nahm nun ihrerseits das Wort und erzählte von der Prinzessin, die ganz die Großmutter sei, denselben Teint und vor Allem dieselbe gute Laune habe. Das wisse, so viel dürfe sie Wohl sagen, Niemand besser als sie, denn sie habe noch des Vorzugs genossen, unter den Augen der Hochseligen, die eigentlich ein Engel gewesen, ihr Leben bei Hofe beginnen zu dürfen, bei welcher Gelegenheit sie so recht die Wahrheit begriffen habe, daß die Natürlichkeit nicht nur das Beste, sondern auch das Vornehmste sei.
„Ja," sagte Treibet, „das Beste und das Vornehmste. Da hörst Du's, Jenny, von einer Seite her, die Du, Pardon, mein gnädigstes Fräulein, eben selbst als „competenteste Seite" bezeichnet hast."