Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

die beiden adligen Damen von der Gesellschaft verabschiedeten, unterbrach man sich in diesem mit Medisance reichlich gewürzten Gespräch und sah eine kleine Weile dem Landauer nach, der, die Köpnickerstraße hinauf, erst auf die Frau von Ziegenhals'sche Wohnung, in unmittelbarer Nähe der Marschallsbrücke, dann aber auf Charlottenburg zufuhr, wo die seit fünfunddreißig Jahren in einem Seitenflügel des Schlosses einquartierte Bomst ihr Lebensglück und zugleich ihren besten Stolz aus der Betrachtung zog. in erster Zeit mit des hochseligen Königs Majestät, dann mit der Königin Wittwe, und zuletzt mit den Meiningenschen Herrschaften dieselbe Lust geathmet zu haben. Es gab ihr all' das etwas Ver­klärtes, Was auch zu ihrer Figur paßte.

Treibet, der die Damen bis an den Wagenschlag begleitet, hatte mittler­weile, vom Straßendamm her, die Veranda wieder erreicht, wo Vogelsang, etwas verlassen, aber mit uneingebüßter Würde, seinen Platz behauptete.Nun ein Wort unter uns, Lieutenant, aber nicht hier; ich denke, wir absentiren uns einen Augenblick und rauchen ein Blatt, das nicht alle Tage wächst, und namentlich nicht überall." Dabei nahm er Vogelfang unter den Arm und führte den Gern­gehorchenden in sein neben dem Saale gelegenes Arbeitszimmer, wo der geschulte, diesen Lieblingsmoment im Dinerleben seines Herrn von langher kennende Diener bereits Alles zurechtgestellt hatte: das Cigarrenkistchen, den Liqueurkasten und die Caraffe mit Eiswasser. Die gute Schulung des Dieners beschränkte sich aber nicht auf diese Vorarrangements, vielmehr stand er im selben Augenblick, wo beide Herren ihre Plätze genommen hatten, auch schon mit dem Tablett vor ihnen und präsentirte den Kaffee.

Das ist recht, Friedrich, auch der Aufbau hier, Alles zu meiner Zu­friedenheit; aber gib doch lieber die andere Kiste her, die flache. Und dann sage meinem Sohn Otto, ich ließe ihn bitten . . . Ihnen doch recht, Vogelfang? Oder wenn Du Otto nicht triffst, so bitte den Polizeiaffeffor, ja, lieber den. er weiß doch besser Bescheid. Sonderbar, Alles, was in der Molkenmarktluft groß geworden, ist dem Rest der Menschheit um ein Beträchtliches überlegen. Und dieser Goldammer hat nun gar noch den Vortheil, ein richtiger Pastorssohn zu sein, was all' seinen Geschichten einen eigentümlich pikanten Beigeschmack gibt." Und dabei klappte Treibet den Kasten auf und sagte:Cognac oder Allasch? Oder das Eine thun und das Andere nicht lassen?"

Vogelfang lächelte, schob den Cigarrenabknipser ziemlich demonstrativ bei Seite und biß die Spitze mit seinen Raffzähnen ab. Dann griff er nach einem Streichhölzchen. Im Uebrigen schien er abwarten zu wollen, womit Treibel beginnen Würde. Der ließ denn auch nicht lange warten: dien, Vogelfang, Wie gefielen Ihnen die beiden alten Damen? Etwas Feines, nicht wahr? Be­sonders die Bomst. Meine Frau würde sagen: ätherisch. Nun, durchsichtig genug ist sie. Aber offen gestanden, die Ziegenhals ist mir lieber, drall und prall, capitales Weib, und muß ihrer Zeit ein geradezu formidablcs Festungs­viereck gewesen sein. Rasse, Temperament, und wenn ich recht gehört habe, so pendelt ihre Vergangenheit zwischen verschiedenen kleinen Höfen hin und her. Lady Milsord, aber weniger sentimental. Alles natürlich alte Geschichten, Alles beglichen, man könnte beinahe sagen, schade. Den Sommer über ist sie jetzt