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Deutsche Rundschau.
Leopold und Mr. Nelson einstimmten. Ein Plötzlich sich aufmachender Windstoß hatte nämlich dem Wasserstrahl eine Richtung genau nach der Stelle hin gegeben, Wo sie saßen, und bei der Gelegenheit allesammt, den Vogel auf seiner Stange mit eingeschlossen, mit einer Fluth von Spritzwasser überschüttet. Das gab nun ein Klopsen und Abschütteln, an dem auch der Kakadu theilnahm, freilich ohne seinerseits seine Laune dabei zu verbessern.
Drinnen hatte Krola mittlerweile sein Programm beendet und stand auf, um andern Kräften den Platz einzuräumen. Es sei nichts mißlicher, als ein solches Kunstmonopol; außerdem dürfe man nicht vergessen, der Jugend gehöre die Welt. Dabei verbeugte er sich huldigend gegen einige junge Damen, in deren Familien er ebenso verkehrte, wie bei den Treibel's. Die Commerzienräthin ihrerseits aber übertrug diese ganz allgemein gehaltene Huldigung gegen die Jugend in ein bestimmteres Deutsch und forderte die beiden Fräulein Felgentreu's auf, doch einige der reizenden Sachen zu singen, die sie neulich, als Mini- sterialdirector Stoeckenius in ihrem Hause gewesen, so schön vorgetragen hätten; Freund Krola werde gewiß die Güte haben, die Damen am Clavier zu begleiten. Krola, sehr erfreut, einer gesanglichen Mehrforderung, die sonst die Regel war, entgangen zu sein, drückte sofort seine Zustimmung aus und setzte sich an seinen eben erst aufgegebenen Platz, ohne ein Ja oder Nein der beiden Felgentreu's abzuwarten. Aus seinem ganzen Wesen sprach eine Mischung von Wohlwollen und Ironie. Die Tage seiner eignen Berühmtheit lagen weit zurück, aber je Weiter sie zurücklagen, desto höher waren seine Kunstansprüche geworden, so daß es ihm, bei dem totalen Unerfülltbleiben derselben, vollkommen gleichgültig erschien, Was zum Vortrage kam und wer das Wagniß wagte. Von Genuß konnte keine Rede für ihn sein, nur von Amüsement, und weil er einen angeborenen ' Sinn für das Heitere hatte, durfte man sagen, sein Vergnügen stand jedesmal dann auf der Höhe, wenn seine Freundin Jenny Treibel, wie sie das liebte, durch Vortrag einiger Lieder den Schluß der musikalischen Soiräe machte. Das war aber noch weit im Felde, vorläufig waren noch die beiden Felgentreu's da, von denen denn auch die ältere Schwester, oder, wie es zu Krola's jedesmaligem Gaudium hieß, „die weitaus talentvollere", mit „Bächlein laß dein Rauschen fein" ohne Weiteres einsetzte. Daran reihte sich: „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein", was, als allgemeines Lieblingsstück, zu der Commerzienräthin großem, wenn auch nicht geäußerten Verdruß, von einigen indiskreten Stimmen im Garten begleitet wurde. Dann folgte die Schlußnummer, ein Duett aus „Figaro's Hochzeit". Alles war hingerissen, und Treibel sagte zu Vogelfang: „er könne sich nicht erinnern, seit den Tagen der Milanollo's, etwas so Liebliches von Schwestern gesehen und gehört zu haben," woran er die weitere, allerdings unüberlegte Frage knüpfte: ob Vogelfang seinerseits sich noch der Milanollo's erinnern könne? „Nein," sagte dieser barsch und peremptorisch. — „Nun, dann Litt' ich um Entschuldigung."
Eine Pause trat ein. und einige Wagen, darunter auch der Felgentreu'sche, Waren schon angefahren; trotzdem zögerte man noch mit dem Aufbruch, weil das Fest immer noch seines Abschlusses entbehrte. Die Commerzienräthin nämlich hatte noch nicht gesungen, ja war unerhörter Weise noch nicht einmal zum Vor-