Heft 
(1892) 70
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Danton.

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Leidenschaften zernagt, stürzte er sich in den Strudel der Revolution." Mignet schreibt:Danton hatte die Laster des Demokraten, wie Mirabeau diejenigen des Aristokraten .... Leidenschaftlich, verschuldet, begehrlich und von lockeren Sitten warf er sich wechselweise seinen Leidenschaften und seiner Partei in die Arme." Michelet bezeichnet ihn alsunbeschäftigten Advocaten, der nichts als Schulden besaß, und von seinem Schwiegervater, dem Limonadenhändler am Pont Neus, erhalten wurde." Louis Blanc eignet sich das ungünstige Urtheil eines zeit­genössischen Schriftstellers, des Verfassers derHwtoirs Zsiwraltz et imxartiale" und derRevolutions äe karw" (Prudhomme) bedingungslos an.

Nach Belegen sieht man sich bei den Urhebern dieser Anschuldigungen freilich ebenso vergeblich um, wie bei den Lobrednern Villiaum6 und Rousselin de Albin, die Danton zu einem Ausbunde aller bürgerlichen Tugenden machen wollen. Dabei waltet indessen ein wesentlicher Unterschied ob: während die ersterwähnten, wegen ihrer Parteistellung'für Danton voreingenommenen Histo­riker sich gegen ihre Neigung der Macht einer Tradition gebeugt haben, die wegen ihrer Einstimmigkeit nicht überhört werden durfte, steht den Schutzrednern des vielgescholtenen Mannes lediglich die Berufung aus längst verstorbene, im Uebrigen unbekannte Gewährsleute zur Seite. Aus der Zärtlichkeit, mit welcher Mutter, Stief- und Schwiegervater an dem Gedächtniß des Verstorbenen hingen, und aus der Beliebtheit, deren derselbe sich in seinem Geburtsorte erfreute, kann mehr nicht gefolgert werden, als daß Danton ein liebenswürdiger und warm­herziger Freund, ein Mann war, dessen Gemüths- und Geistesreichthum mindestens Denen für eine Compcnsation seiner üblen Eigenschaften galt, die mit ihm in Güte zu thun hatten. Als ob das nicht ohnehin bekannt und anerkannt wäre! Räumt man doch auch da, wo Danton als ungetreuer Ehemann, gewissenloser Hausvater, unzuverlässiger Sachwalter und leichtfertiger Verschwender bezeichnet wird, ohne Weiteres ein, daß er in seiner Ehe und seinen Familienverhältnissen nichts weniger als unglücklich gewesen, daß er seine Umgebung an sich zu fesseln gewußt und daß durch sein Thun und Lassen ein Zug von Großmuth gegangen sei, der von ungewöhnlicher Gemüthswärme gezeugt habe.

Irgend bemerkenswerthe Einzelheiten aus der Zeit von Danton's advocatischer Thätigkeit der Jahre 17871789 sind der Nachwelt nicht überliefert worden. Daß er gelegentlich mit dem Kriegsminister, Grafen von Brienne, dem Erzbischof Sens und dem Justizminister de Barentin in Berührung gekommen, daß diese Männer seine hohen Fähigkeiten zu schätzen gewußt und Barentin ihn zum Chef seiner Kanzlei machen gewollt, will nicht viel bedeuten und mag in der Natur seiner amtlichen Stellung gelegen haben. Bemerkenswerther erscheint, daß Danton schon damals wegen seiner Abneigung gegen schriftliche Mittheilungen bekannt war, eine Eigentümlichkeit, die seine advocatische Thätigkeit in ein nicht eben günstiges Licht rückt:In Revolutionen (en rsvotution) schreibt man nicht," soll er später gesagt haben. Michelet, der seinen Helden exemplarischer Unwissen­heit bezichtigt, fügt hinzu, daß Dantonfast nie las". In seinem Nachlaß ist allerdings eine ansehnliche Bibliothek gefunden worden; für die Belesenheit des glücklichen Besitzers beweist das indessen ebenso wenig wie die Thatsache eines bei ihm gefundenen englischen Briefes für die ihm zugeschriebene Kenntniß dieser