Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Bis jetzt habe ich wenig von der Außenwelt gesehen die Einrichtung unserer Hütte nahm mich ganz in Anspruch. Nur ein einziges Mal konnte ich eine kleine Entdeckungsreise in die Felsen unternehmen, bis an den Abhang, der wenige Schritte vom Hause steil in die Tiese abfällt. Unten stießt ein Bach, der, jetzt nach den Regengüssen, in Cascaden schäumend bis ins Thal stürzt, wo er zwischen Brombeer- und Jelängerjelieber-Ranken ein natürliches Bassin bildet, um dann als friedliche Quelle die Ebene zu bewässern. Aus dem Fenster, an dem ich schreibe, sehe ich ihn an sonnigen Tagen wie einen Silberstreisen am Fuß der Bergkette. Jetzt liegt ein dichter, weißer Wolkenschleier über der ganzen Natur. Die Hühner auf dem Hofe sitzen frierend unter der Dachkante, kein Mensch Wagt sich hinaus. Gestern, während Adalgisa eineduo-ata", d. h. große Wäsche machte, räumte ich meine Küche ein, einen winzigen Raum, dessen Thür aus die Felsen mündet, so daß man drinnen fast wie im Freien dem Regen und Sturm ausgesetzt ist. Als ich, um einen aus Latten gefügten Schrank umzu­stellen, mein Geschirr draußen auf einen Tisch gesetzt hatte, ergriff der Wind die Schüsseln, und hätte ich mich nicht mit ausgebreiteten Armen, um Hülfe rufend, darüber gelegt, so hätten sie alle das Schicksal eines Tellers gehabt, der über eine steinerne Mauer hinweg in den Abgrund flog. Adalgisa wurde fast den Berg hinuntergeweht, wie sie nach Wasser zur Quelle steigen wollte. Ein Hirt rettete sie. Für hier zu Lande ist ein Mädchen dieser Art Goldes Werth. Sie kennt die Araber, da sie vier Jahre bei Gabes in der Wüste, als Wäscherin für fran­zösische Truppen, lebte, hat die guten Eigenschaften, über nichts in Erstaunen zu gerathen, sich nie allzu sehr zu eilen und als Devise die Worte:paEu/a,

Trotz der herbstlich grauen Tage sind wir nicht so allein, als Ihr denken mögt. Alle Augenblicke klopft es an die Thür, und es erscheint eine Gestalt in Weißen Gewändern, die uns freundlich begrüßt. Es sind Scheiks und Stammältcste der Umgegend, die, hoch erfreut, arabisch sprechen zu können, und eine kleine Büchersammlung zu finden, sich bei uns die Zeit vertreiben die Wohl nirgends in so reichem Maße vorhanden ist, wie hier zu Lande. MeineTausend und eine Nacht" in den rothen Lederbänden wandert von Hand zu Hand, der schön geschriebene Koran wird bewundert. Man sitzt im Kreise bei einem Täßchen Kaffee, und die Unterhaltung geht ihren Gang. Kadi und Mufti, zwei alte Brü­der mit ehrwürdigen Weißen Bärten, goldenen Brillen auf den Hakennasen und gelben Schnabelschuhen an den Füßen, erzählen von Mekka und der Pilgerfahrt, von den Wundern der Kaaba und der bunten Gesellschaft der Wallfahrer, die sich dort versammelt. Bel-Kaffem, ein sieben Fuß langer Riese aus dem Dorfe Elles, unterweist uns in Grammatik und Metrik, sein jüngerer Bruder Tajeb liest uns mit glühendem Interesse dieReisen des Sindbad" vor. Donnerstags erscheint die Esaugestalt Jbrahinlls mit einem Hasen im Jagdnetz; er istrauh" wie der biblische Jäger, trägt immer seine Steinschloßstinte auf dem Rücken und gäbe statt um ein Linsengericht seine Erstgeburt um ein Pfund Pulver weg. Neben ihm fehlt selten ein altes Weib mit einem einzigen Zahn, das ich dieHexe von Endor" getauft habe. Sie weiß mit einem schwarzen Huhn, am Freitag geschlachtet, die Eingeweide auf einen Kreuzweg gestreut, alle Krankheiten zu