Heft 
(1892) 70
Seite
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Neue Briefe von Gentz.

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VII. r)

Seit sechs Wochen sind alle Briese und Berichte aus Italien voll von dem Ein­fluß, welchen die unter den Auspicien des Herzogs von Modena erscheinenden Dialoghetti aus die zahlreiche Classe der absoluten Gegner aller Reformen ausüben. Prokesch spricht ohne Unterlaß davon. Ich habe Ihnen aus sein Geheiß ein Exemplar dieser Publication übergeben; Sie haben mir aber nie ein Wort darüber gesagt, vielleicht , auch gar keine Notiz davon genommen. Ich bitte Sie daher, mir das Büchlein

zu schicken, damit ich mir wenigstens eine allgemeine Ansicht vom Charakter und der Tendenz desselben verschaffe. Prokesch schreibt mir noch in seinem letzten, gestern er­haltenen Briefe: Die herrschende Partei am römischen Hose kennt keinen andern poli­tischen Codex als die Dialoghetti.

14. April. ' Gentz.

Der Brief von Prokesch, wo beiläufig diese Worte gebraucht werden, ist Rom den 5. April 1832 datirtTos äsux xarti8 sse. äu sollsZs äss earäiuanx) non8 sont sZalsiusut snusmis. lUuu . . . ne eounait ä'autrs soäs xolitigus gus Iss vialogllstti." (Aus dem Nachlaß des Grasen Prokesch-Osten. 1881. II. S. 103.)

Der folgende Brief enthält einen Beitrag zur Charakteristik von Pilat. Gentz vergleicht ihn darin mit Joseph Fieväe, dem Redacteur derhjuotiäisuus" und später desOonssrvatsnr", zweier royalistischer Journale: er meint wenigstens, so hätte Pilat werden können. Fievse (geb. 1767) war ursprünglich der revolutionären Partei zugethan, kehrte sich sedoch srühzeitig von ihr ab. Aber nicht alle Ideen Von Freiheit und Selbstbestimmung der Völker gab er damit aus: insbesondere für die Selbstverwaltung der Communen und Provinzen von der die Revolution frei­lich nichts hatte wissen wollen trat er in der Folge ein. Pilat nun hegte ähn­liche Gedanken: während des Kongresses von Verona klagte er Gentz, daß in Oester­reich nichts zur Wiederherstellung des alten ständischen Wesens, nichts zu einer Ent­wicklung der Gemeinden geschehe; hierin sah er die Grundfesten einer conservativen Staatsordnung. Gentz mochte spotten: solche Dinge lägen so sern, wie eine durch­greifende Reform der katholischen Kirche; aber wahr ist es doch, daß Pilat das Interesse der conservativen Sache besser erkannt hat als Gentz.

Anhaltspunkte zu einer bestimmten Datirung fehlen auch in diesem Briese nicht ganz. Doch war es uns nicht möglich, letztere zu finden, da uns hierzu die nothwendigen Hülfsmittel mangelten.

VIII. 2)

Ich will Ihnen den Verdruß, den Sie mir heute gemacht haben, gern ver­zeihen, wenn Sie mich nur ein für allemal jeder Art von censorischer Berührung mit dem Beobachter überheben. Man kann kein halber Ceusor sein; wenigstens nicht für Jemanden, der ohne Unterlaß bald mit den Ansichten, bald mit der Kompetenz des Censors im Kriege liegt. Sie haben einen bestimmten Haß gegen alle Censur; Sie sind überhaupt kein Freund von Autoritäten und würden, wie ich Ihnen heute gesagt habe, wenn nicht zu Ihrem Glück die der Kirche Sie gebunden hätte, ein zügelloser Vernünftler 1. s. ein Revolutionär, oder gelegentlich ein Anti-Revolutionär im Frieden sein. Da ich dies nun in Ihnen (wenigstens vor der Hand) nicht ändern kann, mir aber in anderen Rücksichten viel daran gelegen ist, mit Ihnen kein unangenehmes Verhältniß zu haben, so wäre es unsinnig, wenn ich ohne absolute Nothwendigkeit mir dieses Verhältniß mit Ihnen aufbürden wollte. Ich protestire

U Abschrift. 2) Abschrift.