Heft 
(1892) 70
Seite
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Kunst- und Literaturgeschichte.

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Aber noch mehr.Wir erkennen," sagt der Versasser,bei Beschauung des Gemäldes allerdings, wie vortrefflich Raphael berathen war von Seiten philosophisch gebildeter Männer, sehen aber auch, in welch genialer Weise er das ihm zur Ver­sagung stehende Material bewältigte, es künstlerisch gestaltend.

Hätte Raphael als Abschluß seiner Studien über die griechische Philosophie einen Aussatz geschrieben, um jene historischen Kenntnisse und Anschauungen zusammenzustellen, über welchen sein Geist bei der Componirung des Gemäldes wirksam schwebte, und Wären wir im Besitze solcher Ausschreibungen, dann hätten wir einen überaus werth­vollen Beitrag zur Erklärung seines Bildes und zugleich den urkundlichen Beleg wirklichen Besitzes der in Rede stehenden Kenntnisse.

Wir haben jedoch einen anderen, diesem wenigstens ebenbürtigen Beweis. Der noch nicht dreißigjährige Künstler beantwortet die Frage endgültig durch sein Gemälde. Denn wer es versteht, Pythagoras, Sokrates, Plato und Aristoteles mit so treffender Charakterisirung ihrer Philosophie zu zeichnen, wie Raphael gethan, besitzt die erforderliche Kenntniß, gleichviel ob wir die Personen und Bücher nennen können oder nicht nennen können, die er in seinen Vorstudien zu Rathe gezogen. Haben wir die Wirklichkeit vor Augen, so fällt der Zweifel an der Möglichkeit von selbst weg."

Diesen Aussatz aber hat Raphael nicht geschrieben! Und was die Wirklichkeit anlangt, so beruht sie doch nur auf den Namen, welche von einer Anzahl von Leuten, die wie Bote denken, den Gestalten der Schule von Athen erst verliehen worden sind. Man kann daran glauben, man braucht es aber nicht.

Bole geht noch weiter. Er glaubt einen gewissen Zusammenhang der Anschauungen Raphaells mit der in unserer Gegenwart herrschenden Auffassung der Entwicklung der griechischen Philosophie anuehmen zu dürfen.

Diese Betrachtungsweise hat etwas historisch Schönes, Anziehendes, Fruchtbares, etwas mit persönlicher Theilnahme Erfüllendes, das man gern gelten läßt. Wer möchte dagegen sein, daß die Dinge sich so verhielten? Den Kunstwerken großer Meister gegenüber ist Jeder in seinem Rechte, der die Verkörperung des Bedeutendsten in ihnen erblickt. Und schließlich, Vasari ist für Botels und seiner Genossen Deutung der Figuren eingetreten. Wenn wir unserestheils für die des gleichzeitigen Kupferstiches sind, so stände gutes Recht gegen gutes Recht.

Dies jedoch will Bole nicht anerkennen. Ja einer Anmerkung zu Seite 2 weist er den Gedanken,der im Areopag Christum verkündende Paulus" könne hier dargestellt worden sein, zurück, weil die über dem Gemälde thronende Figur der Philosophie" dies nicht erlaube. Paulus Rede im Areopag hat das Eigenthümliche aber, daß der Apostel den Athenern klar machen will, seine Lehre sei nichts Andres, als was ihre eigenen Dichter längst gesagt hätten. Einen schöneren Abschluß der griechischen Philosophie aber, als daß sie zu einem Theile der christlichen Lehre gemacht wurde, gab es nicht, und dies gerade war die Ansicht der Jahrhunderte von Dante bis Raphael.

9. Bayerische Bibliothek. Begründet und hecaasgsgeben von Karl von Reinhard- stoettner und Karl Trautnrann. Dritter Band.

Franz Graf Pocci, ein Dichter- und Künstlerleben, von Hyacinth Holland. Mit sechsundzwanzig Bildern von Franz Graf Pocci und dessen Äildniß. Bamberg, Buchner'sche Verlagsbuchhandlung. 1890.

Der Schluß des Buches lautet:

Sehr wahr und schön sind die Zeilen derHerbstblätter", welche wir vollständig auf Franz Pocci in Anwendung bringen können, ein tröstendes Motto für alles edle Streben und Wollen:

Und hast DuJins^nur auf der Welt gelassen,

Für das ein einz'ger Mensch Dir bleibend dankt,!

So fürchte nicht, daß Du umsonst gelebt."

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