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Deutsche Rundschau.
Damit wird freilich anerkannt, daß es bei Pocci beim Streben und Wollen geblieben sei. lieber die Herbstblätter sagt Holland (S. 72): „Die Herbstblätter sind demnach das Resultat eines langen Gedankenganges und Läuterungsprocesses, welcher beim Erscheinen des Buches der Hauptsache nach schon zielbewußt abgeschlossen, aber noch nicht vollendet war", und ferner: „So können denn die Herbstblätter als das poetische Testament Pocclls gelten".
Pocci gilt dem Verfasser dieser von wohlthuender Anerkennung dictirten kleinen Biographie zu sehr als Dichter. Pocci war in seinen Versen weder originell, was die Sprache und die Form anlangt, noch gedankenreich. Umsonst aber hat er gewiß nicht gelebt. In seinen Zeichnungen sprach er sich aus. Im großen Zuge der romantischen Ritter des Süddeutschen Daseins reitet er mit. Die Heiterkeit und Wahrheit seines Wesens haben Viele erfreut. Wie er die Dinge sah und zeichnete, sah er sie allein. Aus seiner bescheidenen Ecke heraus suchte er so viel Frohsinn in die Tage hineinzubringen, in denen er lebte, als ihm irgend möglich war. Hier liegt das Zeichen seiner Eigenthümlichkeit und seines Berufes. Ihm haben viele Menschen gedankt.
Denn an nichts erinnert man sich lieber als an Augenblicke reinen Frohsinns. Die hat Pocci geschaffen. Die Soldatenlieder haben ihn zuerst berühmt gemacht, mit denen er die Auffassung der Deutschen Vergangenheit eröffnete, die wir heute als „Künstlerfestauffassung" fast schon zum Abgethanen rechnen. Ihr zufolge wäre das ganze siebzehnte Jahrhundert bei Hörnerklang und lustigem Winde, der in breitkrempigen Federhüten wühlte und Banner in wunderliche Falten warf, verstrichen, und der dreißigjährige Krieg beinahe nur ein Ballet gewesen, zu dem der Simplicissimus den Text schrieb. Vergnügte Einsiedler und Betteljungen mit reichlichen Brotstücken in den Händen hatten da gute Tage, und Landsknechte waren reinliche und freundliche Genossen, Lei deren Eintritt ins Haus die Familie froh zusammenlies, jedes einen vollen Humpen in der Hand. Wer Pocclls unzählige Blätter betrachtet, begegnet darin unendlichen Wiederholungen dieser Stimmung. Jedes aber besteht für sich. Eine wunderliche dichterische Kraft wohnt seinen Strichen inne, welche dieser Gesellschaft einen Anschein von Wirklichkeit verleiht. Hier kommt ihm Keiner nach. Wie Viele haben das nicht versucht: die Formen findet man bis zur Täuschung wieder, die innige Fidelität aber, die sie umweht, konnte nur Pocci ihnen verleihen. Holland theilt eine Anzahl dieser Illustrationen mit, den vollen Eindruck ihrer Wirkung aber empfängt man erst, wenn man sie in größeren Reihen vor sich hat. Eine nie verletzende, unbeschreiblich gutmüthige Sorte von Carricaturen gehört dazu, in denen Pocci typische Figuren durch lange seltsame Lebensläufe verfolgte. Maßmann und Förster hat er so verewigt. Den Staatshämorrhoidarius hat er geschaffen. Wie viele Leute sind darüber in stilles herzliches Lächeln versetzt worden. Phantasie und Wahrhaftigkeit vereinigten sich hier zu einem unnachahmbaren Effecte.
Pocci war der Illustrator der süddeutschen Gemüthlichkeit, deren Heimath München ist. Cöln und München sind die Centren besonderer Lebensauffassung. Unbekümmerter Fröhlichkeit. Carnevalsstimmung. In Berlin hat sie nie gedeihen wollen. Dies einer der Gründe des nachhaltigen Mißtrauens, das man am Rhein und an der Isar gegen den Berliner Geist hegt. Rheinische, Süd- und Norddeutsche Art, mit sich und mit Andern vergnügt zu sein, sind grundverschieden. Es scheint in der Münchener Lust zu liegen, denn auch der Norddeutsche wird zum Münchener, wenn er in München heimisch geworden ist. Die Berliner Luft scheint zu Zeiten beinahe zu fordern, daß man sich über etwas ärgere: das Münchener Klima, daß man es niemals thue. Die Mahnung „Mensch, ärgere dich nicht", würde in München gar nicht verstanden werden. Keiner traut sich und Anderen dergleichen zu.
1861 erschien Pocci's „Landsknecht", eine Sammlung von Liedern: Marsch- und Trinklieder, Ständchen, Landsknechtsklagen, mit der Widmung:
Allen treuen deutschen Herzen,
Die noch aus verklung'ner Fern'