Kunst- und Literaturgeschichte.
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Bei der trüben Zeiten Schmerzen Ihren Trost sich holen gern,
Die noch fromm im Buchenwalde Auf der Burgen Trümmern steh'n,
Und dort von der grünen Halde Ueber alt' Gemäuer seh'n —
Allen, die noch etwas haben,
Was die And'ren nicht versteh'n,
All' den alten deutschen Knaben Mög's aus diesen Blättern weh'n!
Das war sein Credo.
Franz Graf Pocei wurde am 7. März 1807 zu München geboren, „Sohn des Herrn Fabrieius Grafen Pocci, welcher 1781 aus Viterbo als Edelknabe an den Kurfürstlichen Hof kam". In Landshut studirte er die Rechte, arbeitete dann als Accessist an der Regierung zu München, wurde mit der Zeit Ceremonienmeister unter König Ludwig I. und starb den 7. Mai 1876. Er zeichnete, dichtete, componirte und musieirte, lebte in glücklicher Ehe und hinterließ Nachkommenschaft, war Allem, was gut und schön ist, zugänglich und hörte niemals auf, in den vielen künstlerischen Richtungen, in denen sein Talent sich aussprach, üppig und erfolgreich zu produciren. Er war liebenswürdig und hatte keine Feinde, und es sprechen die, die ihn gekannt haben, mit der herzlichen Anerkennung von ihm, die nur Denen zu Theil wird, die sie verdient haben.
10. Karl Simrock. Die Nibelungen. 50. Auflage. Jubiläums-Ausgabe. Stuttgart 1890. Cotta'sche Buchhandlung.
Am 28. August 1890 wurde in Simrock's kleinem Hause, das er sich inmitten der Weinberge und Gartengelände von Menzenberg gebaut hatte, das Erscheinen der fünfzigsten Auflage seiner Uebertragung des Nibelungenliedes gefeiert. Seine Kinder und Enkel und Freunde, persönlich oder in herzlicher Theilnahme aus der Ferne dort vereinigt, erfreuten sich der Erinnerung an den Mann, der dem Rheine soviel verdankte und dem der Rhein soviel verdankt. Eine große Fahne mit der Umschrift „Haus Parcifal" flog über dem Hause in den Lüften. Er selbst hatte es so genannt. All' der frühere Baumwuchs, der es umgibt, grünt weiter. Möge Haus Parcifal lange noch dastehen und von dem Dichter erzählen, der seinem Vaterlande theuer ist.
Auch Simrock's Rheinsagen erleben in diesem Jahre eine neue Auflage. Eine neue nach vielen vorhergegangenen. Bücher, die zu Lieblingsbüchern der Nation geworden sind, gewinnen zuletzt ihr eignes Dasein. Das Buch, das nur eine Zusammenstellung fremder und eigner Dichtungen zu sein scheint, ist ein tiefdurchdachter Aufbau, ausgesührt aus den kostbarsten eigenen und fremden Werkstücken. Es verherrlicht den deutschen Strom zu seiner und seines Dichters Ehre. Simrock's echt rheinische Natur zeigt sich in den Stücken, die er selbst dichtete, ebenso rein wie in denen, die er von Anderen nahm. Innigkeit des Gefühles, gepaart zuweilen mit unschuldiger Derbheit des Ausdrucks verbinden sich, um einen ganz eigentümlichen Eindruck hervorzubringen, der als Simrock's eigenthümliches Zeichen überall verstanden wird. Spätere Zeiten noch werden in dieser Mischung scheinbar sich widersprechender Stimmungen die gute deutsche Art erkennen, die aus deutschem Boden immer wieder frisch hervorbricht.
Simrock's lebendigste Schöpfung ist doch seine Beschreibung des Rheines; von den Quellen bis zur Mündung verfolgt er den Fluß und die Städte und Burgen, die sich in ihm spiegeln. Von allen Versuchen, deutsche Landschaft zu schildern, scheint mir dieser der gelungenste zu sein. All' die Elemente, deren es zum Gelingen dieser Aufgabe bedurfte, trafen in Karl Simrock zusammen. Er war durch lange schriftstellerische Arbeit vorbereitet, den rechten Ton zu treffen. Er wußte genau, wie man für die schreiben müsse, denen das Buch in die Hand kommen sollte.