Frau Jenny Treidel.
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seinem Freunde Friedeberg gegenüber, der seinerseits, von seinem Platz aus zugleich den Blick in den Spiegel hatte. Zwischen den blanken Messingleuchtern standen ein paar aus einem Bazar gewonnene Porcellanvasen, aus deren halb gezahnter, halb wellensörmiger Oesfnung — äsntatus st unäu1atu8, sagte Schmidt — kleine Marktsträuße von Goldlack und Vergißmeinnicht hervorwuchsen. Quer vor den Weingläsern lagen lange Kümmelbrote, denen der Gastgeber, wie allem Kümmlichen, eine ganz besondere Fülle gesundheitlicher Gaben zuschrieb.
Das eigentliche Gericht fehlte noch, und Schmidt, nachdem er sich von dem statutarisch festgesetzten Trarbacher bereits zweimal eingefchenkt, auch beide Knusperspitzen von seinem Kümmelbrötchen abgebrochen hatte, war ersichtlich aus dem Punkte, starke Spuren von Mißstimmung und Ungeduld zu zeigen, als sich endlich die zum EntrSe führende Thür austhat, und die Schmolle, roth von Erregung und Herdfeuer, eintrat, eine mächtige Schüssel mit Oderkrebsen vor sich her tragend. „Gott sei Dank," sagte Schmidt, „ich dachte schon. Alles wäre den Krebsgang gegangen," eine unvorsichtige Bemerkung, die die Congestionen der Schmolle nur noch steigerte, das Maß ihrer guten Laune aber ebenso sehr sinken ließ. Schmidt, seinen Fehler rasch erkennend, war kluger Feldherr genug, durch einige Verbindlichkeiten die Sache wieder auszugleichen. Freilich nur mit halbem Erfolg.
Als man wieder allein war, unterließ es Schmidt nicht, sofort den verbindlichen Wirth zu machen. Natürlich auf seine Weise. „Sieh', Distelkamp, dieser hier ist für Dich. Er hat eine große und eine kleine Schere, und das sind immer die besten. Es gibt Spiele der Natur, die mehr sind als bloßes Spiel und dem Weisen als Wegweiser dienen; dahin gehören beispie^weise die Pontac - Apfelsinen und die Borstorfer mit einer Pocke. Denn es steht sest, je pockenreicher, desto schöner . . . Was wir hier vor uns haben, sind Oderbruchkrebse; wenn ich recht berichtet bin, aus der Küstriner Gegend. Es scheint, daß durch die Vermählung von Oder und Warthe besonders gute Resultate vermittelt werden. Uebrigens, Friedeberg, sind Sie nicht eigentlich da zu Haus? Ein halber Neumärker oder Oderbrücher." Friedeberg bestätigte. „Mußt' es; mein Gedächtniß täuscht mich selten. Und nun sagen Sie, Freund, ist dies, nach Ihren persönlichen Erfahrungen, muthmaßlich als streng locale Production anzusehen, oder ist es mit den Oderbruchkrebsen wie mit den Werder'schen Kirschen, deren Gewinnungsgebiet sich nächstens über die ganze Provinz Brandenburg erstrecken wird."
„Ich glaube doch," sagte Friedeberg, während er durch eine geschickte, durchaus den Virtuosen verrathende Gabelwendung, einen weiß und rosa schimmernden Krebsschwanz aus seiner Stachelschale hob, „ich glaube doch, daß hier ein Segeln unter zuständiger Flagge stattfindet, und daß wir auf dieser Schüssel wirkliche Oderkrebse vor uns haben, echteste Waare, nicht bloß dem Namen nach, sondern auch äs kaeto."
„Vs kaeto," wiederholte der in Friedeberg's Latinität eingeweihte Schmidt, unter behaglichem Schmunzeln.
Friedeberg aber fuhr fort: „Es werden nämlich, um Küstrin herum, immer noch Massen gewonnen, trotzdem es nicht mehr das ist, was es war. Ich habe