Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

dasselbe sagen läßt, mag dahin gestellt bleiben. Mir persönlich ist allerdings auch der Hummer immer gut bekommen. Ein eigen Ding, daß man aus Fragen derart nie herauswächst, sie wechseln bloß ab im Leben. Ist man jung, so heißt eshübsch oder häßlich",brünett oder blond", und liegt dergleichen hinter Einem, so steht man vor der vielleicht wichtigeren FrageHummer oder Krebse". Wir könnten übrigens darüber abstimmen. Andererseits, so viel muß ich zu­geben, hat Abstimmung immer 'was Todtes, Schablonenhaftes und paßt mir außerdem nicht recht; ich möchte nämlich Marcell gern ins Gespräch ziehen, der eigentlich dasitzt, als sei ihm die Gerste verhagelt. Also lieber Erörterung der Frage, Debatte. Sage, Marcell, was ziehst Du vor?"

Versteht sich, Hummer."

Schnell fertig ist die Jugend mit dem Wort. Aus den ernsten Anlauf, mit ganz wenig Ausnahmen, ist Jeder für Hummer, schon weil er sich aus Kaiser Wilhelm berufen kann. Aber so schnell erledigt sich das nicht. Natürlich, wenn solch ein Hummer ausgeschnitten vor einem liegt, und der wundervolle rothe Rogen, ein Bild des Segens und der Fruchtbarkeit, einem zu allem Anderen auch noch die Gewißheit gibt, ,es wird immer Hummer gebentz auch nach Aeonen noch, gerade so wie heute . . ."

Distelkamp sah seinen Freund Schmidt von der Seite her an?

. Also Einem die Gewißheit gibt, auch nach Aeonen noch werden Menschenkinder sich dieser Himmelsgabe freuen ja, Freunde, wenn man sich mit diesem Gefühl des Unendlichen durchdringt, so kommt das darin liegende Humanitäre dem Hummer und unserer Stellung zu ihm unzweifelhaft zu Gute. Denn jede philanthropische Regung, weshalb man die Philanthropie schon aus Selbsucht cultiviren sollte, bedeutet die Mehrung eines gesunden und zugleich verfeinerten Appetits. Alles Gute hat seinen Lohn in sich, so viel ist un­bestreitbar."

Aber . . ."

Aber es ist trotzdem dafür gesorgt, auch hier, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, und neben dem Großen hat das Kleine nicht bloß seine Be­rechtigung, sondern auch seine Vorzüge. Gewiß, dem Krebse fehlt dies und das, er hat so zu sagen nicht das ,Maßtz was, in einem Militärstaate wie Preußen, immerhin etwas bedeutet, aber dem ohnerachtet, auch er darf sagen: ich habe nicht umsonst gelebt. Und wenn er dann, er, der Krebs, in Petersilienbutter geschwenkt, im allerappetitlichsten Reize vor uns hintritt, so hat er Momente wirklicher Ueberlegenheit, vor Allem auch darin, daß sein Bestes nicht eigentlich gegessen, sondern geschlürft, gesogen wird. Und daß gerade das, in der Welt des Genusses, seine besonderen Meriten hat, wer wollte das bestreiten. Es ist, so zu sagen, das natürlich Gegebene. Wir haben da in erster Reihe den Säugling, für den saugen zugleich leben heißt. Aber auch in den höheren Semestern..."

Laß es gut sein, Schmidt," unterbrach Distelkamp.Mir ist nur immer merkwürdig, daß Du, neben Homer und sogar neben Schliemann, mit solcher Vorliebe Kochbuchliches behandelst, reine Menufragen, als ob Du zu den Bankiers und Geldsürsten gehörtest, von denen ich bis auf Weiteres annehme, daß sie gut essen ..."