Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

Wahlkreise gewählt würde, keine fünfe mehr, so will sie die Villa beziehen, und wenn ich sie recht taxire, so wird sie zu dem grauen Kakadu noch einen Pfau­hahn anschaffen."

Ach, Marcell, das sind Visionen."

Vielleicht von ihr, wer will's sagen? aber sicherlich nicht von mir. Denn all das waren ihre eigensten Worte. Du hättest sie hören sollen, Onkel, mit welcher Süffisance sie vonkleinen Verhältnissen" sprach, und wie sie das dürftige Kleinleben ausmalte, für das sie nun ^mal nicht geschaffen sei; sie sei nicht für Speck und Wruken und all dergleichen . . . und Du hättest nur hören sollen, wie sie das sagte, nicht bloß so drüber hin, nein, es klang geradezu was von Bitterkeit mit durch, und ich sah zu meinem Schmerz, wie veräußerlicht sie ist, und wie die verdammte neue Zeit sie ganz in Banden hält."

Hm," sagte Schmidt,das gefällt mir nicht, namentlich das mit den Wruken. Das ist bloß ein dummes Vornehmthun und ist auch culinarisch eine Thorheit; denn alle Gerichte, die Friedrich Wilhelm I. liebte, so zum Beispiel Weißkohl mit Hammelfleisch oder Schlei mit Dill ja lieber Marcell, was will dagegen auskommen? Und dagegen Front zu machen, ist einfach Unverstand. Aber­glaube mir, Corinna macht auch nicht Front dagegen, dazu ist sie viel zu sehr ihres Vaters Tochter, und wenn sie sich darin gefallen hat, Dir von Modernität zu sprechen und Dir vielleicht eine Pariser Hutnadel oder eine Sommerjacke, dran alles eine und wieder ekle ist, zu beschreiben und so zu thun, als ob es in der ganzen Welt nichts gäbe, was an Werth und Schönheit damit verglichen Werden könnte, so ist das Alles bloß Feuerwerk, Phantasiethätigkeit, jeu ä'Lsxrit, und wenn es ihr morgen paßt, Dir einen Pfarramtscandidaten in der Jasmin­laube zu beschreiben, der selig in Lottchens Armen ruht, so leistet sie das mit demselben Aplomb und mit derselben Virtuosität. Das ist, was ich das Schmidt'sche nenne. Nein, Marcell, darüber darfst Du Dir keine grauen Haare wachsen lassen; das ist Alles nicht ernstlich gemeint . . ."

Es ist ernstlich gemeint . . ."

Und wenn es ernstlich gemeint ist was ich vorläufig noch nicht glaube, denn Corinna ist eine sonderbare Person so nutzt ihr dieser Ernst nichts, gar nichts, und es wird doch nichts draus. Darauf verlaß Dich, Marcell. Denn zum Heirathen gehören Zwei."

Gewiß, Onkel. Aber Leopold will womöglich noch mehr als Corinna ..."

Was gar keine Bedeutung hat. Denn laß Dir sagen, und damit sprech' ich ein großes Wort gelassen aus: die Commerzienräthin will nicht."

Bist Du dessen so sicher?"

Ganz sicher."

Und hast auch Zeichen dafür?"

Zeichen und Beweise, Marcell. Und zwar Zeichen und Beweise, die Du in Deinem alten Onkel Wilibald Schmidt hier leibhaftig vor Dir siehst . . ."

Das wäre."

Ja, Freund, leibhaftig vor Dir siehst. Denn ich habe das Glück gehabt, an mir selbst, und zwar als Object und Opfer, das Wesen meiner Freundin Jenny studiren zu können. Jenny Bürstenbinder, das ist ihr Vatersname, wie