Frau Jenny Treibel. 179
That die Räthin eben eingetreten war. Das auf einem Tablett Wohl arran- girte Frühstück stand schon da.
„Guten Morgen, Jenny . . . Wie geruht?"
„Doch nur passabel. Dieser furchtbare Vogelfang hat wie ein Alp auf mir gelegen."
„Ich würde gerade diese bildersprachliche Wendung doch zu vermeiden suchen. Aber wie Du darüber denkst .. . Im Uebrigen, wollen wir das Frühstück nicht lieber draußen nehmen?"
Und der Diener, nachdem Jenny zugestimmt und ihrerseits auf den Knopf der Klingel gedrückt hatte, erschien wieder, um das Tablett auf einen der kleinen, in der Veranda stehenden Tische hinauszutragen. „Es ist gut, Friedrich," sagte Treibel und schob jetzt höchst eigenhändig eine Fußbank heran, um es dadurch zunächst seiner Frau, zugleich aber auch sich selber nach Möglichkeit bequem zu machen. Denn Jenny bedurfte solcher Huldigungen, um bei guter Laune zu bleiben.
Diese Wirkung blieb denn auch heute nicht aus. Sie lächelte, rückte die Zuckerschale näher zu sich heran und sagte, während sie die gepflegte Weiße Hand über den großen Blockstücken Hielt: „eins oder zwei?" '
„Zwei, Jenny, wenn ich bitten darf. Ich sehe nicht ein, warum ich, der ich zur Runkelrübe, Gott sei Dank, keine Beziehungen unterhalte, die billigen Zuckerzeiten nicht fröhlich mitmachen soll."
Jenny war einverstanden, that den Zucker ein und schob gleich danach die kleine, genau bis an den Goldstreifen gefüllte Tasse dem Gemahl mit dem Bemerken zu: „Du hast die Zeitungen schon durchgesehen? Wie steht es mit Gladstone?"
Treibel lachte mit ganz ungewöhnlicher Herzlichkeit. „Wenn es Dir Recht ist, Jenny, bleiben wir vorläufig noch diesseits des Canals, sagen wir in Hamburg oder doch in der Welt des Hamburgischen, und transponiren uns die Frage nach Gladstone's Befinden in eine Frage nach unserer Schwiegertochter Helene. Sie war offenbar verstimmt, und ich schwanke nur noch, was in ihren Augen die Schuld trug. War es, daß sie selber nicht gut genug placirt war, oder war es, daß wir Mr. Nelson, ihren uns gütigst überlassenen oder, um es berlinisch zu sagen, ihren uns aufgepuckelten Ehrengast, so ganz einfach zwischen die Honig und Corinna gesetzt hatten?"
„Du hast eben gelacht, Treibel, weil ich nach Gladstone fragte, was Du nicht hättest thun sollen, denn wir Frauen dürfen so 'was fragen, wenn wir auch 'was ganz Anderes meinen; aber ihr Männer dürft uns das nicht nachmachen wollen. Schon deshalb nicht, weil es Euch nicht glückt oder doch jedenfalls noch weniger als uns. Denn so viel ist doch gewiß und kann Dir nicht entgangen sein, ich habe niemals einen entzückteren Menschen gesehen, als den guten Nelson; also wird Helene Wohl nichts dagegen gehabt haben, daß wir ihren Protege grade so placirten, wie geschehen. Und wenn das auch eine ewige Eifersucht ist zwischen ihr und Corinna, die sich, ihrer Meinung nach, zu viel herausnimmt und ..."
. Und unweiblich ist und unhamburgisch, was nach ihrer Meinung so ziemlich zusammenfällt ..."
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