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Deutsche Rundschau.
. So Wird sie's ihr gestern," fuhr Jenny, der Unterbrechung nicht achtend, fort, „Wohl zum ersten Male verziehen haben, weil es ihr selber zu Gute kam oder ihrer Gastlichkeit, von der sie persönlich freilich so mangelhafte Proben gegeben hat. Nein, Treibel, nichts von Verstimmung über Mr. Nelson's Platz. Helene schmollt mit uns beiden, weil wir alle Anspielungen nicht verstehen wollen und ihre Schwester Hildegard noch immer nicht eingeladen haben. Uebrigens ist Hildegard ein lächerlicher Name für eine Hamburgerin. Hildegard heißt man in einem Schlosse mit Ahnenbildern oder wo eine Weiße Frau spukt. Helene schmollt mit uns, weil wir hinsichtlich Hildegard's so sehr- schwerhörig sind."
„Worin sie Recht hat."
„Und ich finde, daß sie darin Unrecht hat. Es ist eine Anmaßung, die an Insolenz grenzt. Was soll das heißend Sind wir in einem fort dazu da, dem Holzhof und seinen Angehörigen Honneurs zu machend Sind wir dazu da, Helenens und ihrer Eltern Pläne zu begünstigend Wenn unsre Frau Schwiegertochter durchaus die gastliche Schwester spielen will, so kann sie Hildegard ja jeden Tag von Hamburg her verschreiben und das verwöhnte Püppchen entscheiden lassen, ob die Alster bei der Uhlenhorst oder die Spree bei Treptow schöner ist. Aber was geht uns das Alles an. Otto hat seinen Holzhos so gut, wie Du Deinen Fabrikhof, und seine Villa finden viele Leute hübscher als die unsre, was auch zutrifft. Unsre ist beinah altmodisch und jedenfalls viel zu klein, so daß ich oft nicht aus noch ein weiß. Es bleibt dabei, mir fehlen wenigstens zwei Zimmer. Ich mag davon nicht viel Worte machen, aber wie kommen wir dazu, Hildegard einzuladen, als ob uns daran läge, die Beziehungen der beiden Häuser aufs Eifrigste zu pflegen, und wie wenn wir nichts sehnlicher wünschten, als noch mehr Hamburger Blut in die Familie zu bringen ..."
„Aber Jenny ..."
„Nichts von ,aberJ Treibel. Von solchen Sachen versteht ihr nichts, weil ihr kein Auge dafür habt. Ich sage Dir, auf solche Pläne läuft es hinaus, und deshalb sollen Wir die Einladenden sein. Wenn Helene Hildegarden einlädt, so bedeutet das so wenig, daß es nicht einmal die Trinkgelder Werth ist, und die neuen Toiletten nun schon gewiß nicht. Was hat es für eine Bedeutung, wenn sich zwei Schwestern Wiedersehen? Gar keine, sie passen nicht 'mal zusammen und schrauben sich beständig; aber wenn wir Hildegard einladen, so heißt das, die Treibel's sind unendlich entzückt über ihre erste Hamburger Schwiegertochter und würden es für ein Glück und eine Ehre ansehen, wenn sich das Glück erneuern und verdoppeln und Fräulein Hildegard Munk Frau Leopold Treibel werden wollte. Ja, Freund, daraus läuft es hinaus. Es ist eine abgekartete Sache. Leopold soll Hildegard oder eigentlich Hildegard soll Leopold heirathen; denn Leopold ist bloß passiv und hat zu gehorchen. Das ist das, Was die Munk's wollen, was Helene will, und was unser armer Otto, der, Gott weiß es, nicht viel sagen darf, schließlich auch wird wollen müssen. Und weil wir zögern und mit der Einladung nicht recht heraus wollen, deshalb schmollt und grollt Helene mit uns und spielt die Zurückhaltende und Gekränkte und gibt die