Der Universitätsunterricht und die Astronomie.
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socialpolitischen Entwicklung, außer der tüchtigen Fachbildung eine starke Mitgabe epimetheischer Geistesart eine der wesentlichsten Bedingungen gedeihlichen Wirkens, nämlich diejenige Verbindung von Energie und Milde, welche durch philosophische und geschichtliche Studien, sowie durch die Berührung mit der schönen Literatur und der Kunst glücklichste genährt wird. Aber auch naturwissenschaftliche Studien, zumal Einblicke in die Methode und Kritik der Natur- sorschung und in ihre goldenen Lehren von den Fehlerquellen menschlichen Wahrnehmens und Urtheilens, werden eine wichtige Mitgabe für die in Rede stehenden Berufsarten sein. Durch alle diese Mitgaben, welche vorzugsweise der Universitätsunterricht bieten kann, werden gerade gegenüber der Unruhe und Hast des Erwerbs- und Verkehrslebens diejenigen höchsten leitenden Eigenschaften und Be- thätigungen cultivirt, welche in der größten Energie des Menschen, in der planvollen Geduld, gipfeln.
Die Universität bildet den Arzt, für welchen neben einer gehörigen Beigabe prometheischer Energie und Virtuosität des sachmäßigen Könnens eine tief wissenschaftliche Erfassung der anthropologischen Probleme die Bedingung des reifsten und menschenfreundlichsten Wirkens gegen die schweren Leiden und Uebel des Lebenskampfes der Einzelnen und der Gesellschaft ist. Ein umfassender Einblick in die naturwissenschaftliche Arbeit und eine innige Berührung mit den Problemen und Ergebnissen der Geisteswissenschasten wird die sicherste Grundlage der Eigenschaften bilden, welche den Arzt zugleich zum Forscher und zum Wohl- thäter machen.
Die Universität bildet in dem Gottes gelehrten auch den Menschenfreund, welcher durch die Vertiefung in die Denkmäler uralter Weisheit und Intuition sowie durch sonstige Studien philosophischer und historischer Art erleuchtet und auf die letzten Ziele des Menschenlebens gerichtet, sich friedenerfüllt und srieden- bringend zu dem Arzt, dem Rechtsgelehrten und Beamten, als unentbehrlicher Helfer und Tröster aller Mühseligen und Beladenen, gesellt.
Die Universität bildet endlich den Lehrer der höheren Schulen, für welchen, neben einem Element pädagogischer Fertigkeit, zu seiner für die Gesammtheit entscheidend und unvergleichlich wichtigen Wirksamkeit vorzugsweise alles Dasjenige erforderlich ist, was der Universitätsunterricht nach den vorangehenden Darlegungen in besonderer Weise bieten soll; denn ihm ist die Ersatzbildung der gesammten höchsten Geisteskräfte der Nation, die immer erneute Erziehung zur Gesittung und zur Freude an den höchsten Aufgaben des Lebens vor allen Andern anvertraut.
Er bedarf am allermeisten der Stille der Seele, des Reichthums und der Tiefe der Anschauungen, welche allein einen begeisternden und wahrhaft förderlichen Einstuß auf die Jugend der höheren Schulen begründen. Gerade für ihn kann der Universitätsunterricht nicht genug an die letzten Quellen des Denkens und Wissens gehen, gerade für ihn bedarf es daher am meisten des Universitätslehrers, der viel weniger ein Pädagoge, als ein ernster und strenger Denker ist.
Aber, wenn ich zu diesen Betrachtungen über die Ziele und Leistungen des Universitätsunterrichts zum Schlüsse noch ein Wort frommen Wunsches hinzu- sügen darf, will man solche Lehrer haben, dann muß man ihnen auch die ent-