Ein Jahr bei dm Ajaris.
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Diese Eröffnung, in die Alles mit lautem Beifall einstimmte, war wenig ermuthigend. Was thund Ich dankte aufstehend für die Bewirthung, meinte aber klug zu thun, indem ich vorschützte, mein Geld im Wagen zu haben, woraus mir der ganze Schwarm bis an die Straße das Geleit gab. Dort erwarteten mich mit einiger Unruhe meine arabischen Begleiter, nicht wenig erstaunt, als sie mich in so sonderbarer Gesellschaft anlangen sahen. Nun entspann sich derselbe Wortstreit wie vorher über die Gefahren der Siliana, und wiederholte Stimmen wurden laut, es sei mein Tod, wenn ich mich in die Hände des Muselmannes begäbe.
Ich sah meinen alten Hamda an und verstand, was seine kleinen, scharfen Augen sagen wollten: „Lieber in der Siliana, als unter dem Messer der Italiener." — „So fahr' zu, mit Allah's Hülfe," war meine Antwort. Ich dankte mit einem Geldstück für Rath und Erquickung und stieg in den Wagen, konnte aber nicht verhindern, daß man uns einen Knaben auf den Bock setzte, um „den Weg zu weisen", den übrigens unser Kutscher genau kannte.
Wir waren also in einer Falle! Vor uns der drohende Fluß, im Rücken die unheimliche Gesellschaft, und im weiten Umkreise keine Menschenseele, die uns hätte sichere Unterkunft bieten können. Tajeb war in größter Aufregung und betete zu Allah in hundert Namen, er möge dem Wasser gebieten, und uns glücklich hindurch führen. — So fuhren wir eine Stunde auf der neuen Straße bergab in Erwartung dessen, was das Schicksal uns bescheren wolle. Eines stand fest: lieber im Wagen übernachten, als nach AimTunga zurückkehren. Auf einem Bergabhange erblickten wir Beduinenzelte. Sollten wir dort ein Nachtlager suchend Auch das war nur ein schlechter Trost, denn bei theurer Zeit und Heu-- schreckenplage war das Gastrecht kein Schutz für eine alleinreisende Frau, bei der man Geld vermuthen konnte, obendrein da sie so unvorsichtig gewesen war, ein paar Brillantohrringe nicht abzulegen, die ihr schlechte Dienste hätten leisten können. Tajeb bog sich beständig aus dem Wagen, um nach dem Strome zu spähen, seufzte tief auf, murmelte Gebete und verwünschte seine Reiselust. Der alte Hamda bedachte seine Braunen mit der Peitsche und sah röther und ernsthafter als je unter seinem Turban vor. Der italienische Knabe neben ihm schwatzte in einem fort von Wetter und Wegen. Ich gedachte derer, die mich erwarteten, des Reiters auf dem Maulthier, der jetzt schon viele Stunden weit im Gebirge auf durchweichten Wegen ritt und nichts von all' diesen unerwarteten Zwischenfällen ahnte. — Wir mochten an die fünf Kilometer zurückgelegt haben, als uns Beduinen mit Eseln begegneten, die des Weges vom Flusse kamen. Auf Tajeb's Freudenruf und Frage gaben sie zur Antwort, es sei die höchste Zeit, und Eile noth, wollten wir noch hinüber. Da lag auch schon der breite Wasserarm vor uns, rauschend und gelblichgrau über die Steine schießend.
„Vater Hamda, was sagst Du zu dem Fluß?" rief ich dem Kutscher zu. „So Allah will, kommen wir hinüber," erwiderte der Alte, hielt seinen Wagen an und stieg ab, das Wasser mit seinem geübten Blick zu prüfen. „Wir wollen es versuchen," und damit nahm er seinen Platz auf dem Bock wieder ein. Ich aber hatte auch den Wagen verlassen und war zu ihm gestiegen, um wenigstens der Gefahr ins Auge zu sehen, und nicht wie eine Katze im Sack zu ertrinken.
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