Heft 
(1892) 70
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Ein Jahr bei den Ajaris.

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erreichen! Hart bei Medjez fließt die gefürchtete Medjerda, die im Frühjahr weit über ihre Ufer hinaustritt und Alles überschwemmt. Wie sollten wir bei Dunkelheit die Brücke finden? Wer war unser Bote und wohin führte er uns?

Durch die dichten Wolken fiel ein gelblicher Schein auf die Berghalde, die, mit Pinien und Haide bestanden, an die Höhen der Hamada erinnerte. Als wir oben anlangten, lag zu unfern Füßen ein weites Flußthal und mitten darinnen als ein schmaler weißer Streif das Städtchen Medjez.

Aber wie viel tiefe Wege mußten wir noch zurücklegen, wie viel Regen über uns ergehen lassen, ehe wir das ersehnte Ziel erreichen sollten! Der Schimmer der untergehenden Sonne verschwand, kalte graue Nebel stiegen aus dem Thal. Die Dunkelheit brach an, kein Stern am Himmel, Blitze zuckten von Zeit zu Zeit auf und erleuchteten den Fußsteig, der jetzt durch sumpfige Wiesen führte, an breiten Wasserlachen vorbei. Wir passiren ein Beduinenlager, von einer Meute bewacht, Niemand achtet der einsamen Reiter.

Wasser, nichts als Wasser um uns her, schwärzlich und schaurig kalt; neben uns rauscht der Fluß, die Pferde riechen die Gefahr und halten sich scheu nach der anderen Seite.

Endlich leuchtet ein Licht in der Ferne, wir folgen ihm, mechanisch unsere Thiere antreibend, die nicht mehr weiter wollen. Der Himmel öffnete von Neuem seine Schleusen, der Donner rollt und in dem Zustand von kalter Ergebung in das Schicksal, schwindet fast die Hoffnung auf eine glückliche Ankunft. Doch wir sind wirklich dem Städtchen nah, die Lichter glänzen freundlich, es sind die Laternen des Kaffeehauses. Wir eilen vorüber und passiren die breite, steinerne Brücke, unter der die Medjerda ihre dunklen Fluthen wälzt. Noch dreiviertel Stunde, und wir halten am Bahnhof.

Ein freundlicher Stationsches gibt mir einen Platz am Feuer, und da wir am Kamin sitzen, die Stiesel trocknen und unsere Abenteuer erzählen, ist mir zu Muthe, wie dem Reiter, der über den Bodensee ritt; aber vor dem Hellen Holz- seuer und dem tickenden Telegraphen schwindet das Grausen, als wäre Alles ein böser Traum gewesen.

Um Mitternacht lief der Zug in Tunis ein.

Tajeb hat drei Tage lang nichts gegessen, die Aufregung steckte ihm in den Gliedern. Ich aber träume jede Nacht von Wafferstürzen und Abgründen.

Heute traf ich Hamda mit dem Wagen. Er ist noch drei Tage unterwegs gewesen. Als er mich erblickt, lacht er verschmitzt und meint:Was sagst Du zu der Siliana und den Italienern?"

Ü1 üamäaMaü äla Kuli üal!"

Der Chalifa ist bestraft worden.

XIV.

Tunis, Ende Oktober.

Es sind Monate vergangen, seit ich zuletzt schrieb. Zwischen damals und jetzt liegt der lange Sommer mit der regungslosen Stille seiner Tage.

Als ich Ende April nach kurzem Aufenthalt in Tunis und einer wiederum beschwerlichen und ermüdenden Reise in unfern Bergen anlangte, fand ich sie in