Giovanni Battista de Rossi.
275
Diese Gesinnung, auf das Christliche angewandt, treffen wir im Wesentlichen auch bei de Rossi. Als er zu Anfang der vierziger Jahre in die gelehrten Kreise eintrat, waren die Grundlagen der neueren Kunstgeschichte in Deutschland durch den Freiherrn von Rumohr gelegt. Für die Kunstgeschichte des Mittelalters und der Renaissance waren dessen „Italienischen Forschungen" (1827 bis 1831) in ähnlicher Weise bahnbrechend, Wie die Schriften Winckelmann's für das elastische Alterthum. Die zwischenliegende altchristliche Periode kam für ihn und seine Nachfolger in Deutschland, für die Kugler, Schnaase und Alle, die seither sich auf ihren Schultern als Lehrer der Kunstgeschichte erhoben, so gut wie gar nicht in Betracht. Man wußte wenig über diese Zeit und ihre Denkmäler; das Wenige, was man zu wissen glaubte, war nicht hinreichend constatirt, und schien, wenn man den Begriff der „Kunst" voransetzte, nicht hinreichend interessant, um es zum Gegenstand einer eingehenden Forschung zu machen. Noch in den dreißiger und vierziger Jahren erschienen bei uns Handbücher der christlichen Archäologie, deren Verfasser kaum eine Ahnung von den Monumenten hatten. Was man in den Lehrbüchern der Kirchen- und Kunstgeschichte über die sechs ersten christlichen Jahrhunderte las, kam in Bezug auf „Kunst" nicht viel über eine „kable eon- venue" hinaus. Rumohr selbst hat, beim besten Willen von der Welt, eine gute Anzahl völlig falscher Urtheile und Vorstellungen, z. B- betreffs der sogenannten byzantinischen Frage, begründet, welche seither sich wie Seeschlangen durch die ganze Literatur hindurchzogen.
Das war die Lage der Dinge, als der junge de Rossi anfing, sich mit Archäologie, und speciell mit christlicher, zu befassen. In Verbindung mit dem deutschen archäologischen Institut emporgewachsen, gewann er sich rasch die epigraphische Schulung, die historische Methode der Deutschen, als deren Schüler er sich in diesem Punkte immer bekannt hat. Aber er setzte in seiner Arbeit nicht in der auf Mittelalter und Renaissance gewandten Richtung ein, in welcher bei uns Kugler und Schnaase Rumohr's Werk weiterführten; vielmehr erhob sich vor seinen Augen die altchristlich-römische Welt als ein in sich abgeschlossenes Object des Wissens, das in seiner Gesammtheit geschaut und nach allen Seiten des Lebens erforscht sein wollte. Wie Gerhard „jene Symbolik der alten Welt, welche nach dem Widerschein himmlischer Erscheinungen auf Erden sucht und die edelsten Gegenstände der wirklichen Welt im Spiegel göttlicher Abkunft zu erblicken begehrte, in den Göttersagen nicht voreilig aufsuchen wollte, ehe er selbst in den schielendsten Vorstellungen eines untergeordneten Göttergesolges und selbst im schlichtesten Gewand der Alltagswelt einen bald mystischen, bald rein symbolischen Bilderkreis gefunden hatte": so erhob sich vor de Rossi die Forderung, allen, auch den geringsten Erscheinungen des altchristlichen Lebens nachzugehen, um ein Gesammtbild jener Culturepoche zu gewinnen, welche die tatsächliche Grundlage der heutigen christlichen Welt darstellt. Nichts konnte in dieser Hinsicht von nun an geringfügig erscheinen. Inschriften, Münzen, Gläser, Lampen, Alles gewann ein Interesse, an das frühere Zeiten nicht gedacht hatten. Gemälde und Sculpturen, welche bisher als Werke der Decadenz keiner Beachtung gewürdigt worden waren, erschienen auf einmal in einem ganz neuen Lichte: sind sie doch die Zeugen einer Epoche tiefgehender