Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

Zwar entbehrt auch das Staatsrecht Utopiens keineswegs des originalen Gepräges; allein es finden sich hier doch mannigfache Analogien und parallel gehende Erscheinungen in den staatlichen Ordnungen anderer Völker. Die Insel Utopien zerfällt in vierundfünszig Bezirke, die wir als Städterepubliken bezeichnen können, je mit einer Stadt und zugehörigem Landgebiet. Jeder dieser Einzel­kantone vollsührt zunächst seine Verwaltung und die Besorgung seiner öffentlichen Angelegenheiten für sich. Die Verfassung ist demokratisch. Ein Kanton ist in kleine Wahlbezirke von je dreißig Familien eingetheilt, welche aus ihrer Mitte jeweils einen jährlich wechselnden Beamten wählen: einenShphogranten" oder Philarchen", deren jeder Kanton zweihundert hat. Immer zehn von diesen Beamten der inneren Verwaltung, wie wir sagen würden, stehen unter einem Traniboren" oderProtophilarchen". Ueber diesen endlich waltet in jedem Stadtbezirk als ein oberster richterlicher und Vollzugsbeamter ein Präsident, Barzam" oderAdern" genannt, welcher von den Shphogranten des Kantons auf Lebenszeit gewählt wird; und zwar aus der Zahl von vier Candidaten, welche bei Erledigung des Stuhles das Volk in dazu einberufenen Versammlungen in jedem Viertel der Stadt eine nominirt hat. Neben diesen Magi­straturen der einzelnen Stadtbezirke besteht als gemeinschaftliches staatliches Organ für die Insel Utopien im Ganzen ein Senat. Jede der vierundfünfzig Städte Utopiens entsendet in diese Körperschaft drei jährlich wechselnde Mitglieder, welche in Amaurote, der Hauptstadt der Insel (von den anderen Städten allerdings zu­nächst nur durch ihre centrale Lage ausgezeichnet) zusammentreten, um alle der Insel Utopien gemeinsamen Angelegenheiten, nach außen wie nach innen, zu berathen, zu beschließen und zur Durchführung zu bringen.

Es ist nun klar, daß diese Form des Staatswesens an sich mit jeder Art von wirthschöstlichem Betriebe sich verträgt. Die Fragen: wie die zum Lebens­unterhalte nothwendigen oder nützlichen Güter producirt, wie dieselben im Handel vertrieben werden und den Consumenten zufließen sollen, sind hiernach noch ganz offen. Es ist aber, wie erwähnt, gerade die eigenartige Beantwortung dieser Fragen, welche seit langen Zeiten die Blicke auf die fremde Insel gefesselt hält. Und es beruht nun die gesetzliche Regelung der zuletzt genannten Angelegenheiten in Utopien auf drei festen Grundsätzen.

Zum Ersten: System der allgemeinen Gütergemeinschaft, das Princip des Communismus. Wenn Jean Jacques Rousseau in seiner Schriftäiseours 8ur 1'oriZins st Iss tonäsmsnts äs Ibusgalitö xarmi Iss bonmiss" ausführt (ich Werde mir erlauben, in deutscher Sprache zu citiren):Der Erste, der ein Stück Land einzäunte und sich einfallen ließ, zu sagendas ist mein" und Andere fand, einfältig genug, es ihm zu glauben, der ist der wahre Gründer der bürger­lichen Gesellschaft gewesen;" der Genfer Staatsphilosoph unterscheidet, wie man sieht, mit Anderen den Zustand menschlicher Civilisation von einem ursprüng­lichen Naturzustand: in diesem letzteren, da der Mensch noch wild umherirrte, durch Wald und Berg, dem Thiere gleich, mit dem in starkem, rohem Kampfe um des Lebens sparsame Nothdurft er rang, da gehörte die Erde Allen, und die Früchte, die sie sonder Arbeit spendete, standen Jedem offen und frei da zur An­eignung; aber an der Schwelle der Geschichte der Civilisation, am Eingänge der