Heft 
(1892) 70
Seite
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Frau Jenny Treidel.

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Nun, lieben Freunde," nahm Treibel das Wort,Alles nach der Ordnung. Erste Frage, wo bringen wir uns unter? Wir haben Verschiedenes zur Wahl. Bleiben wir hier Parterre, zwischen diesen sormidablen Tischreihen, oder rücken wir aus die benachbarte Veranda hinaus, die Sie, wenn Sie Gewicht darauf legen, auch als Altan oder als Söller bezeichnen können? Oder bevorzugen Sie vielleicht die Verschwiegenheit der inneren Gemächer, irgend einer Kemenate von Halensee? Oder endlich, viertens und letztens, sind Sie für Thurmbesteigung und treibt es Sie, diese Wunderwelt, in der keines Menschen Auge bisher einen frischen Grashalm entdecken konnte, treibt es Sie, sag' ich, dieses von Spargel­beeten und Eisenbahndämmen durchsetzte Wüstenpanorama zu Ihren Füßen aus­gebreitet zu sehen?"

Ich denke," sagte Frau Felgentreu, die, trotzdem sie kaum ausgangs vierzig war, schon das Embonpoint und das Asthma einer Sechzigerin hatte,ich denke, lieber Treibel, wir bleiben, wo wir sind. Ich bin nicht für Steigen, und dann mein' ich auch immer, man muß mit dem zufrieden sein, was man gerade hat."

Eine merkwürdig bescheidene Frau," sagte Corinna zu Krola, der seinerseits mit einfacher Zahlennennung antwortete, leise hinzusetzendaber Thaler."

Gut denn," fuhr Treibel fort,wir bleiben also in der Tiefe. Wozu dem Höheren zustreben? Man muß zufrieden sein mit dem durch Schicksalsbeschluß Gegebenen, wie meine Freundin Felgentreu soeben versichert hat. Mit anderen Worten, ,Genieße fröhlich, was Du hast^. Aber, liebe Festgenossen, was thun wir, um unsere Fröhlichkeit zu beleben, oder, richtiger und artiger, um ihr Dauer zu geben? Denn von Belebung unserer Fröhlichkeit sprechen, hieße das augen­blickliche Vorhandensein derselben in Zweifel ziehen, eine Blasphemie, deren ich mich nicht schuldig machen werde. Landpartien sind immer fröhlich. Nicht Wahr, Krola?"

Krola bestätigte mit einem verschmitzten Lächeln, das für den Eingeweihten eine stille Sehnsucht nach Siechen oder dem schweren Wagner ausdrücken sollte.

Treibel verstand es auch so.Landpartien also sind immer fröhlich, und dann haben wir das Quartett in Bereitschaft und haben Professor Schmidt in Sicht, und Leopold auch. Ich finde, daß dies allein schon ein Programm aus­drückt." Und nach diesen Einleitungsworten einen in der Nähe stehenden mittel­alterlichen Kellner heranwinkend, fuhr er in einer anscheinend an diesen, in Wahr­heit aber an seine Freunde gerichteten Rede fort:Ich denke, Kellner, wir rücken zunächst einige Tische zusammen, hier zwischen Brunnen und Fliederbosquet; da haben wir frische Lust und etwas Schatten. Und dann, Freund, sobald die Local- srage geregelt und das Actionsfeld abgesteckt ist, dann etwelche Portionen Kaffee, sagen wir vorläufig fünf, Zucker doppelt, und etwas Kuchiges, gleichviel was, mit Ausnahme von altdeutschem Napfkuchen, der mir immer eine Mahnung ist, es mit dem neuen Deutschland ernst und ehrlich zu versuchen. Die Bierfrage können wir später regeln, wenn unser Zuzug eingetroffen ist."

Dieser Zuzug war nun in der That näher, als die ganze Gesellschaft zu hoffen gewagt hatte. Schmidt, in einer ihn begleitenden Wolke herankommend, war müllergrau von Chausseestaub und mußte es sich gefallen lassen, von den jungen, dabei nicht wenig kokettirenden Damen abgeklopft zu werden, und kaum