Heft 
(1892) 70
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Deutsche Rundschau.

daß er in Stand gesetzt und in den Kreis der Uebrigen eingereiht war, so ward auch schon Leopold in einer langsam herantrottenden Droschke sichtbar, und beide Felgentreu's (Corinna hielt sich zurück) liefen auch ihm bis auf die Chaussee hinaus entgegen und schwenkten dieselben kleinen Battisttücher zu seiner Be­grüßung, mit denen sie eben den alten Schmidt restituirt und wieder leidlich gesellschaftsfähig gemacht hatten.

Auch Treibel hatte sich erhoben und sah der Anfahrt seines Jüngsten zu. Sonderbar," sagte er zu Schmidt und Felgentreu, zwischen denen er saß, sonderbar; es heißt immer, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Aber mit­unter Lhut er's doch. Alle Naturgesetze schwanken heut' zu Tage. Die Wissen­schaft setzt ihnen zu arg zu. Sehen Sie, Schmidt, wenn ich Leopold Treibel wäre (mit meinem Vater war das etwas Anderes, der war noch aus der alten Zeit), so hätte mich doch kein Deubel davon abgehalten, hier heute hoch zu Roß vor­zureiten, und hätte mich graziös denn, Schmidt, wir haben doch auch unsere Zeit gehabt hätte mich graziös, sag' ich, aus dem Sattel geschwungen und mir mit der Badine die Stiefel und die Unaussprechlichen abgeklopft und wäre hier, schlecht gerechnet, wie ein junger Gott erschienen, mit einer rothen Nelke im Knopfloch, ganz wie Ehrenlegion oder ein ähnlicher Unsinn. Und nun sehen Sie sich den Jungen an. Kommt er nicht an, als ob er hingerichtet werden sollte? Denn das ist ja gar keine Droschke, das ist ein Karren, eine Schleife. Weiß der Himmel, wo's nicht drin steckt, da kommt es auch nicht."

Unter diesen Worten war Leopold herangekommen, untergefaßt von den beiden Felgentreu's, die sich vorgesetzt zu haben schienen, u tout xrix für das Landpartieliche" zu sorgen. Corinna, wie sich denken läßt, gefiel sich in Miß­billigung dieser Vertraulichkeit und sagte vor sich hin:Dumme Dinger!" Dann aber erhob auch sie sich, um Leopold gemeinschaftlich mit den Andern zu begrüßen.

Die Droschke draußen hielt noch immer, was dem alten Treibel schließlich ausfiel.Sage, Leopold, warum hält er noch? Rechnet er auf Rückfahrt?"

Ich glaube, Papa, daß er futtern will."

Wohl und weise. Freilich mit seinem Häckselsack wird er nicht Weit kommen. Hier müssen energischere Belebungsmittel angewandt werden, sonst passirt 'was. Bitte, Kellner, geben Sie dem Schimmel ein Seidel. Aber Löwen­bräu. Dessen ist er am bedürftigsten."

Ich wette." sagte Krola,der Kranke wird von Ihrer Arznei nichts wissen wollen."

Ich verbürge mich für das Gegentheil. In dem Schimmel steckt 'was; bloß heruntergekommen."

Und während das Gespräch noch andauerte, folgte man dem Vorgänge draußen und sah, wie das arme verschmachtete Thier mit Gier das Seidel aus­trank, und in ein schwaches Freudengewieher ausbrach.

Da haben wir's," triumphirte Treibel.Ich bin ein Menschenkenner; der hat bessere Tage gesehen, und mit diesem Seidel zogen alte Zeiten in ihm heraus. Und Erinnerungen sind immer das Beste. Nicht wahr, Jenny?"