Heft 
(1892) 70
Seite
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Frau Jenny Treibel.

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Die Commerzienräthin antwortete mit einem langgedehntenja, Treibel," und deutete durch den Ton an, daß er besser thäte, sie mit solchen Betrachtungen zu verschonen.

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Eine Stunde verging unter allerhand Plaudereien, und wer gerade schwieg, der versäumte nicht, das Bild auf sich wirken zu lassen, das sich um ihn her ausbreitete. Da stieg zunächst eine Terrasse nach dem See hinunter, von dessen anderm User her man den schwachen Knall einiger Teschins hörte, mit denen in einer dort etablirten Schießbude nach der Scheibe geschossen wurde, während man aus verhältnißmäßiger Nähe das Kugelrollen einer am diesseitigen Ufer sich hin­ziehenden Doppelkegelbahn und dazwischen die Rufe des Kegeljungen vernahm. Den See selbst aber sah man nicht recht, was die Felgentreu'schen Mädchen zu­letzt ungeduldig machte.Wir müssen doch den See sehen. Wir können doch nicht in Halensee gewesen sein, ohne den Halensee gesehen zu haben!" Und dabei schoben sie zwei Stühle mit den Lehnen zusammen und kletterten hinauf, um so den Wasserspiegel vielleicht entdecken zu können.Ach, da ist er. Etwas klein."

Das ,Auge der Landschaft/ muß klein sein," sagte Treibel.Ein Ocean ist kein Auge mehr."

Und wo nur die Schwäne sind?" fragte die ältere Felgentreu neugierig. Ich sehe doch zwei Schwanenhäuser."

Ja, liebe Elfriede," sagte Treibel.Sie verlangen zu viel. Das ist immer so; Wo Schwäne sind, sind keine Schwanenhäuser, und wo Schwanenhäuser sind, sind keine Schwäne. Der Eine hat den Beutel, der Andre hat das Geld. Diese Wahrnehmung, meine junge Freundin, werden Sie noch verschiedentlich im Leben machen. Lassen Sie mich annehmen, nicht zu sehr zu Ihrem Schaden."

Elsriede sah ihn groß an.Worauf bezog sich das und auf wen? Auf Leopold? oder auf den früheren Hauslehrer, mit dem sie sich noch schrieb, aber doch nur so, daß es nicht völlig einschlief. Oder auf den Pionierlieutenant? Es konnte sich aus alle Drei beziehen. Leopold hatte das Geld . . . Hm."

Im Uebrigen," fuhr Treibel an die Gesammtheit gewendet fort,ich habe 'mal wo gelesen, daß es immer das Gerathenste sei, das Schönste nicht aus­zukosten, sondern mitten im Genüsse dem Genuß Valet zu sagen. Und dieser Gedanke kommt mir auch jetzt wieder. Es ist kein Zweifel, daß dieser Fleck Erde mit zu dem Schönsten zählt, was die norddeutsche Tiefebene besitzt, durch­aus angethan, durch Sang und Bild verherrlicht zu werden, wenn es nicht schon geschehen ist, denn wir haben jetzt eine märkische Schule, vor der nichts sicher ist, Beleuchtungskünstler ersten Ranges, wobei Wort oder Farbe keinen Unter­schied macht. Aber eben weil es so schön ist, gedenken wir jenes vorcitirten Satzes, der von einem letzten Auskosten nichts wissen will, mit andern Worten beschäftigen wir uns mit dem Gedanken an Aufbruch. Ich sage wohlüberlegt Aufbruch", nicht Rückfahrt, nicht vorzeitige Rückkehr in die alten Geleise, das sei ferne von mir; dieser Tag hat sein letztes Wort noch nicht gesprochen. Nur ein Scheiden speciell aus diesem Idyll, eh' es uns ganz umstrickt! Ich proponire Waldpromenade bis Paulsborn oder, wenn dies zu kühn erscheinen sollte, bis