Heft 
(1892) 70
Seite
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Frau Jenny Treibel.

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mit Betonung sagte, dazu benutzt hatte, sich ein bischen sonntäglich herauszu- putzen. Das Auffallendste war wieder die Haube, deren Rüschen eben aus dem Tolleisen zu kommen schienen.

Aber liebe Schmolle," sagte Corinna, während sie die Thür wieder ins Schloß zog,was ist denn los? Ist Geburtstag? Aber nein, den kenn' ich ja.

> Oder seiner?"

Nein," sagte die Schmolle,seiner is auch nich. Und da werd' ich auch nicht solchen Shlips umbinden und solch Band."

Aber wenn kein Geburtstag ist, was ist dann?"

Nichts, Corinna. Muß denn immer 'was sein, wenn man sich 'mal ordentlich macht? Sieh, Du hast gut reden; Du sitzst jeden Tag, den Gott werden läßt, eine halbe Stunde vorm Spiegel, und mitunter auch noch länger, und brennst Dir Dein Wuschelhaar ..."

Aber, liebe Schmolle . .

Ja, Corinna, Du denkst, ich seh' es nicht. Aber ich sehe Alles und seh' noch viel mehr . . . Und ich kann Dir auch sagen, Schmolke sagte 'mal, er sänd' es eigentlich hübsch, solch Wuschelhaar . . ."

Aber war denn Schmolke so?"

Nein, Corinna, Schmolke war nich so. Schmolke war ein sehr anständiger Mann, und wenn man so 'was Sonderbares und eigentlich Unrechtes sagen darf, er war beinah' zu anständig. Aber nun gib erst Deinen Hut und Deine Mantille. Gott, Kind, wie sieht denn das Alles aus? Is denn solch' furcht­barer Staub? Un noch ein Glück, daß es nich gedrippelt hat, denn is der Sammt hin. Un so viel hat ein Professor auch nich, un wenn er auch nich geradezu klagt, Seide spinnen kann er nich."

Nein, nein," lachte Corinna.

Nu höre, Corinna, da lachst Du nu wieder. Das ist aber gar nicht zum Lachen. Der Alte quält sich genug, und wenn er so die Bündel ins Haus kriegt und die Strippe mitunter nich ausreicht, so viele sind es, denn thut es mir mit­unter ordentlich Weh hier. Denn Papa is ein sehr guter Mann, und seine Sechzig drücken ihn nu doch auch schon ein bischen. Er will es freilich nich wahr haben und thut immer noch so, wie wenn er zwanzig wäre. Ja, hat sich 'was. Un neulich ist er von der Pferdebahn 'runtergesprungen, un ich muß auch gerade dazu kommen; na, ich dachte doch gleich, der Schlag soll mich rühren . . . Aber nu sage, Corinna, was soll ich Dir bringen? Oder hast Du schon gegessen und bist froh, wenn Du nichts siehst ..."

Nein, ich habe nichts gegessen. Oder doch so gut wie nichts; die Zwie­backe, die man kriegt, sind immer so alt. Und dann in Paulsborn einen kleinen süßen Likör. Das kann man doch nicht rechnen. Aber ich habe auch keinen * rechten Appetit, und der Kopf ist mir so benommen; ich werde am Ende krank..."

Ach, dummes Zeug, Corinna. Das ist auch eine von Deinen Nücken; wenn Du 'mal Ohrensausen hast oder ein bischen heiße Stirn, dann redest Du immer gleich von Nervensieber. Un das is eigentlich gottlos, denn man muß den Teufel nich an die Wand malen. Es wird Wohl ein bischen feucht gewesen sein, ein bischen neblig und Abenddunst."