Heft 
(1892) 70
Seite
346
Einzelbild herunterladen

346

Deutsche Rundschau.

Die Schmolle glaubte nicht recht gehört zu haben und sagte:Du hast sür Dich selber sorgen müssen? Was meinst Du damit, was soll das heißen?"

Es soll heißen, liebe Schmolte, daß ich mich heut' Abend verlobt habe."

Himmlischer Vater, is es möglich. Aber sei nich böse, daß ich mich so verfiere . . . Denn es is ja doch eigentlich 'was Gutes. Na, mit wem denn?"

Rathe."

Mit Marcell."

Nein, mit Marcell nicht."

Mit Marcell nich? Ja, Corinna, dann weiß ich es nich und will es auch nich wissen. Bloß wissen muß ich es am Ende doch. Wer is es denn?"

Leopold Treibel."

Herr, Du meine Güte ..."

Findest Du's so schlimm? Hast Du 'was dagegen?"

I bewahre, wie werd' ich denn. Un würde sich auch gar nich vor mir passen. Un denn die Treibel's, die sind Alle gut un sehr proppre Leute, der alte Commerzienrath voran, der immer so spaßig is und immer sagt: ,Je später der Abend, je schöner die Leut/ un ,noch fufzig Jahre so wie heut" und so 'was. Und der älteste Sohn is auch sehr gut und Leopold auch. Ein bischen spitzer, das is wahr, aber heirathen is ja nich bei Renz in 'n Circus. Und Schmolte sagte oft: ,Höre, Rosalie, das laß gut sein, so was täuscht, da kann man sich irren; die Dünnen un die so schwach ausseh'n, die sind oft gar nich so schwach/ Ja, Corinna, die Treibel's sind gut, un bloß die Mama, die Commerzienräthin, ja höre, da kann ich mir nich helfen, die Räthin, die hat so 'was, was mir nich recht paßt, un ziert sich immer un thut so, un wenn 'was Weinerliches erzählt wird von einem Pudel, der ein Kind aus dem Canal ge­zogen, oder wenn der Professor 'was vorpredigt un mit seiner Baßstimme so vor sich Hinbrummelt: ,wie der Unsterbliche sag/ . . . un dann kommt immer ein Name, den kein Christenmensch kennt un die Commerzienräthin woll auch nich dann hat sie gleich immer ihre Thräne un sind immer wie Stehthränen, die gar nich 'runter woll'n."

Daß sie so weinen kann, ist aber doch eigentlich 'was Gutes, liebe-Schmolle."

Ja, bei Manchem is es was Gutes un zeigt ein weiches Herz. Un ich will auch weiter nichts sagen un lieber an meine eig'ne Brust schlagen, un muß auch, denn mir sitzen sie auch man lose... Gott, wenn ich daran denke, wie Schmolke noch lebte, na, da war Vieles anders, un Billetter für den dritten Rang hatte Schmolke jeden Tag un mitunter auch für den zweiten. Un da machte ich mich denn sein, Corinna, denn ich war damals noch keine dreißig un noch ganz gut im Stande. Gott, Kind, wenn ich daran denke! Da war damals eine, die hieß die Erhärten, die nachher einen Grafen geheirathet. Ach, Corinnchen, da Hab' ich auch manche schöne Thräne vergossen. Ich sage schöne Thräne, denn es erleichtert einen. Un in Maria Stuart war es am meisten. Da war denn doch eine Schnauberei, daß man gar nichts mehr versteh'n konnte, das heißt aber bloß ganz zuletzt, wie sie von all' ihre Dienerinnen und von ihrer alten Amme Abschied nimmt, Alle ganz schwarz, un sie selber immer mit's Kreuz, ganz wie 'ne Katholsche. Aber die Erhärten war keine. Un wenn ich mir das Alles