Heft 
(1892) 70
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Die Influenza.

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Folgen. Die Entzündung zog sich in die Länge, wanderte von einem Lungen­lappen in den anderen, und gab Wohl auch zu Lungenabscessen oder zu Lungen­brand Veranlassung; häufig ging die Krankheit aufs Brustfell über und brachte hier Ausschwitzungen oder gar Eiterungen hervor. Oesters geschah es auch, daß die Staphylo- und die Streptococcen durch die Blutbahn direct ins Herzfleisch geführt wurden und hier eitrigen Zerfall bewirkten. Die Zerstörungen des Herzens waren dabei manchmal von einer Ausdehnung und einer Schwere, wie man sie sonst kaum sieht. Und wehe, wenn Herz und Lungen schon vorher schwach und krank gewesen waren! Wie viel Tuberkulöse sind durch die Influenza dem Grabe zugeführt, wie viel Herzkranke den Ihrigen jäh entrissen worden!

Die Neigung zu Eiterung und Entzündung machte sich auch in anderen Organen geltend. Auf der Haut kam es zum Rothlauf, in den Höhlen des Schädels (Kiefer-, Stirn-, Keilbeinhöhle, Siebbeinzellen) zum Eiterfluß, im Hirn zu Ab- scessen, aus den Hirnhäuten zur eitrigen Entzündung; das Mittelohr und Trommel­fell erkrankten, auf ähnliche Art, ja manches Auge hat zu Grunde gehen müssen. Eigentlich ist kein Organ, das nicht gelegentlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Besonders haben die drüsigen Organe des Leibes häufiger gelitten. Auch die Heilung von Operationswunden wurde verzögert; Bennet sagt bezeichnender­weise, daß er sich in die vorantiseptische Zeit zurückversetzt glaubte. In allen diesen Fällen sind der Trauben- und der Kettencoccus die Urheber des Uebels gewesen.

Aber noch nicht genug damit. Denn außer diesen durch Einwanderung von fremden Coccen bedingten Complicationen hat es auch noch einige Nacherkran­kungen gegeben, die Wohl durch den KaeiUus Inüueu^as selbst entstanden sind. Die interessanteste unter ihnen ist eine an der Hornhaut des Auges localisirte Krankheit, welche Keratitis äeuäritiea heißt. Der Name stammt von der baum­artigen Verzweigung einer Trübungsfigur, die mau in der Hornhautmitte sieht. Bei diesem Leiden sind wahrscheinlich die verästelten Saftlücken der Horn­haut einfach mit Jnfluenzabacillen vollgestopft und so undurchsichtig geworden. Das von den Bacillen abgesonderte Gift hat ferner die Nervenendigungen in der Hornhaut gelähmt und damit Empfindungslosigkeit im getrübten Bezirk hervor­gebracht. Diese Keratitis ckenäritiea hat früher zu den recht seltenen und nur vereinzelt auftretenden Augenkrankheiten gehört. Zur Jnsluenzazeit wurde sie plötzlich auffallend häufiger, und man sah sie gleichzeitig an vielen Orten. Ist dadurch ihr Zusammenhang mit der Influenza zweifellos geworden, so läßt doch auch andererseits ihr früheres vereinzeltes Vorkommen den weiteren Schluß zu, daß die Influenza selbst auch zu solchen Zeiten, wo sie nicht epidemisch be­merkt wurde, immerhin sporadisch aufgetreten sei. Und dafür spricht Vieles. Jeder Arzt hat auch zu gewöhnlichen Zeiten Fälle vonGrippe" beobachtet, die er in das gebräuchliche Schema nicht hat einreihen können und die er zu Epidemie­zeiten unzweifelhaft für Influenza erklärt haben würde. Vor Allem waren es die schleppende Reconvalescenz und die große Schwäche, die so fremdartig be­rührten. Auch schlossen sich manchmal Lungenentzündungen diesen Erkrankungen an, welche durch ihre Schwere oder die ungewöhnlich schnelle Tödtlichkeit nur an diejenigen nach Influenza erinnern. Künftighin wird man die Frage, ob diese