Heft 
(1892) 70
Seite
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424 Deutsche Rundschau.

drückende Fülle von Beispielen erlebt, daß an der Thatsache selbst kein Zweifel besteht.

Andererseits bleiben eine Anzahl von Beschwerden der Jnstuenza- übrig, Welche aus den ebengenannten Ausgangspunkt keineswegs zurückzuführen sind. Das Fieber und die Delirien, die Schwäche und die Gliederschmerzen, die Be­nommenheit und die Schlafsucht, eine Componente des Kopfschmerzes und des Schwindels, und die wirklichen katarrhalischen Erscheinungen der Lunge und des Magens müssen als directer Ausdruck der Giftwirkungen angesehen werden, welche die von dem Jnfluenzabacillus gelieferten Stoffwechselproducte auf den Organismus ausüben. In diese Kategorie gehört auch die Herzschwäche, die bei alten und bei durch Krankheit heruntergekommenen Leuten häufig genügt hat, den Tod her­beizuführen. Ferner sind hierhin noch eine ganze Zahl von anatomischen Er­krankungen des Nervensystems zu zählen, welche bei der Jnstuenza vorgekommen sind, und als deren wichtigste wir nur kurz die acute Entzündung der peripheri­schen Nerven, die Erkrankung der grauen Ursprungskerne von Hirnnerven, ferner die Erkrankungen der Gehirngesäße mit den schweren Folgen der Hirnblutung (Schlagfluß) hier genannt haben wollen. Es stehen diese Leiden in Parallele mit denjenigen, die auch bei anderen Jnsectionskrankheiten bekannt sind und welche dort ebenfalls aus die Vergiftung des Körpers mit bacillären Producten bezogen werden. Man hat nachgerade gelernt, einzusehen, daß die Bacillen nicht bloß an denjenigen Stellen des Körpers schädlich werden, wo sie sich selbst in größerer Menge angesiedelt haben und in directem Angriff den Kampf mit den Zellen aufnehmen, sondern daß sie auch durch die von ihnen abgeschiedenen Gifte die schlimmsten Fernwirkungen ausüben. Durch diese letzteren wird zumeist die Thätigkeit der Organe lahm gelegt und, was fast noch verhängnißvoller ist, es wird der Boden für andere Mikroorganismen vorbereitet, die nun im Körper gedeihen können und die Ursache für die Complicationen liefern, an denen so mancher zu Grunde geht, welcher die erste Erkrankung glücklich überstand. Und gerade bei der Jnstuenza haben sich die Complicationen als besonders ver­derbenbringend herausgestellt.

Vor allen Dingen sind es die Lungenentzündungen gewesen, die, wie ein Autor sich treffend ausgedrückt hat, geradezu den Leichenzug der Seuche gebildet haben.

Der Erreger der Lungenentzündung gehört ebenfalls zu denKleinlebewesen" und wird Pneumococcus genannt. Die gewöhnliche durch den Pneumococcus hervorgebrachte typische Lungenentzündung ist eine ziemlich gutartige Erkrankung, deren regulärer Ausgang die Genesung ist. Daneben bestehen noch andere Formen der Lungenentzündung, welche nicht durch den Pneumococcus verursacht werden, sondern durch jene Coccen, die man schon länger als die eigentlichen Erreger der Eiterung kennt, den Trauben- und den Kettencoccus (Staphylo- und Strepto­coccus). Diese letzteren, die Streptococcen-Lungenentzündungen, sind sehr viel ge­fährlicher als die gewöhnliche Form, und leider sind sie gerade diejenigen, welche nach der Influenza häufiger beobachtet wurden. Daher auch die große Zahl der Todesfälle, welche sie im Gefolge hatten und die noch in aller Gedächtniß sind. Und wo nicht direct der Tod eintrat, da kam es oft zu weiteren beklagenswerthen