Heft 
(1892) 70
Seite
440
Einzelbild herunterladen

440

Deutsche Rundschau.

Sorge zu tragen, daß dieselbe, den Bestimmungen des Communal- und Provinzial- Gesetzes entsprechend, die zur Erhaltung der Bauten monumentalen Charakters noth- wendigen Anordnungen enthalte; nämlich, daß ein Verzeichniß angefertigt werde aller der alten Gebäude und Gebäudetheile und -reste, deren Erhaltung für die Bewahrung des künstlerischen Charakters der Stadt und für ihre Geschichte von Bedeutung ist; daß es den Eigenthümern verboten sei, irgend welche Veränderungen am Aeußeren der Gebäude vorzunehmen ohne Erlaubnis der Baucommission; daß endlich auch neuauf- gefundene Gebäude oder Gebäudetheile dieses Charakters der Ueberwachung der Bau­commission zu unterstellen seien.

Ein zweites Rundschreiben vom 11. September 1891 gibt die Formulare und die Vorschriften für die Ausführung des anzufertigenden Verzeichnisses dieser Gruppe von Kunstwerken und ruft damit einen wichtigen und schwierigen Theil der General­inventarisation der Knnstdenkmäler des italienischen Staates ins Leben.

Das Ministerium hat gleichzeitig mit Energie und Umsicht die Ausführung des Decretes in die Hand genommen. Die Berechtigung ihrer Auffassung der gesetzlichen Bestimmungen ist bereits durch eine richterliche Entscheidung anerkannt worden.

Zur Verhinderung der Beschädigung, Entfernung oder Veräußerung der Kunstwerke immobilen Charakters im Inneren von Privatgebäuden fehlt der Regierung bis jetzt die gesetzliche Handhabe. Sie muß sich daraus beschränken, durch das ermahnende und belehrende Wort zu wirken.

Die Frage der Erhaltung des mobilen, freien Kunstbesitzes, der wir nun unsere Auf­merksamkeit wieder zuzuwenden haben, bildet, wie bisher wesentlich sie von den Gesetzen ins Auge gefaßt wurde, auch augenblicklich den Gegenstand der heftigsten Discussion. Kauft oder laßt frei! ruft man von der einen Seite der Regierung zu. Laßt frei, gebt kein Geld aus für Dinge, deren wir schon genug haben! erwidern andere. Dritte dringen darauf, daß man mit Gewalt den Kunstbesitz halten müsse. So sehr die Ansichten auseinandergehen, über das, was die Regierung zu thun habe, darüber sind wohl alle Verständigen einig, daß auf die Dauer die bestehenden Gesetze über die Ausfuhr von Kunstwerken nicht aufrecht zu erhalten seien. Sie sind heute ebenso ungerecht und widersinnig wie unwirksam. Ungerecht, weil die Bedingungen der Ausfuhr für die einzelnen Provinzen wesentlich verschiedene sind, widersinnig, weil im einigen Italien die Steuer dem Gesetze nach ebenso für die Ausfuhr von Rom nach irgend einem anderen Theile Italiens gezahlt werden muß wie für den Verkauf ins Ausland. Sie sind aber auch zum großen Theil unwirksam, weil eine Ueber­wachung fast unmöglich ist, weil die Verwaltung gar nicht über eine hinreichende Anzahl sachverständiger Beamten verfügt, weil selbst der gewissenhafte und erfahrene Beamte den Schlichen der Händler und Unterhändler, die sich oft genug unter ganz eigenthümlichen Formen präsentiren, nicht gewachsen fein kann.

Die bestehenden Gesetze lassen sich nicht aufrecht erhalten. Wird die Regierung nun ohne Weiteres die Thore ihres Hauses öffnen, wird sie die Verantwortung über­nehmen können, aus Rücksicht auf die herrschende Strömung, die das Privateigenthum jeder Art mit heiliger Ehrfurcht angesehen haben will, in übergroßer Liberalität die Reste des künstlerischen Privatbesitzes ohne Widerstand außer Landes gehen zu lassen?

Der Zustand freilich, daß man mit Gewalt das zu halten suchen muß, woran die Gesammtheit einen Antheil zu haben glaubt, ist ein unnatürlicher und ungesunder. Hätte man in Italien nicht so lange die Pflege der idealen Wissenschaften vernach­lässigt, so ganz für überflüssig gehalten, sich die geistige und gemüthliche Bildung, die man sich angeboren wähnt, durch wissenschaftliche Arbeit zu erwerben, so wäre heute kein Gesetz mehr nothwendig, diese Kunstschätze trotz aller finanziellen Calamitäten zu halten!

Können aber Kunstwerke von allerhöchster Bedeutung so ohne Weiteres als reines Privateigenthum angesehen werden? Wird nicht jede Regierung das Recht und die Pflicht haben, wichtige politische Documente im Privatbesitz vor dem Verkauf in das Ausland zu sichern? Muß nicht jeder Bürger sein Eigenthum wie seine Person