Heft 
(1892) 70
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Die Erhaltung der Kunstdenkmaler in Italien-

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tausendfachen Beschränkungen zum allgemeinen Nutzen unterwerfen? Wird man solchen Kunstwerken nicht die gleiche Wichtigkeit für Italien beimessen wollen wie etwa der Anlage einer neuen Straße?

Die Regierung hat die Pflicht, die allgemeinen Interessen, auch wo noch nicht das volle Verständniß für dieselben vorhanden, mit Energie und mit Billigkeit wahrzunehmen. Sie wird die Kunstwerke von solcher Bedeutung, die sich im Privatbesitz befinden, niemals aus dem Auge verlieren dürfen: sie wird ihre finanziellen Kräfte sammeln müssen, um im Nothfalle eintreten zu können. Es läßt sich kaum ein anderer Ausweg denken, als daß man einen Uebergang zu schaffen sucht aus dem jetzigen Zustand zur vollständigen Befreiung von jenen gesetzlichen Fesseln.

Vor allen Dingen wird man ein genaues wissenschaftliches Verzeichniß anzufertigen haben von allen den Kunstwerken allerersten Ranges, die unter allen Umständen erhalten werden müssen, für die im Falle des Verkaufes ins Ausland der Regierung das Vorkaufsrecht zusteht. Um der Verwaltung Zeit zu lassen, ihre Kräfte zu sammeln, deni Anstürme, der nach Oeffnung der Schranken auf sie gemacht werden wird, Stand halten zu können, wird man ihr das Recht einräumen müssen, den Verkauf der im Verzeichniß aufgeführten Kunstwerke, deren Ausfuhr überhaupt verboten ist, für einige Jahre inhibiren zu dürfen, bis sie durch die Einkünfte an Eintrittsgeldern, aus der mäßigen Steuer auf diejenigen antiken Kunstwerke, deren Ausfuhr gestattet worden ist, und aus anderen Quellen in den Stand gesetzt sein wird, zu einem angemessenen Preise das Kunstwerk zu erwerben, sofern nicht etwa das Parlament für einzelne Fälle außerordentliche Mittel bewilligen sollte.

Es steht zu hoffen, daß von diesem Rechte der Sistirung des Verkaufes nur in den ersten Jahren und nur in einzelnen Fällen Gebrauch zu machen sein wird. Die wichtigsten Kunstwerke im Privatbesitz sind durch Fideicommiß gebunden oder im Besitze von Familien, die keineswegs geneigt zu sein scheinen, sich ihrer Schätze zu entäußern (wie die Giovanelli in Venedig oder die Trivulzi in Mailand u. a. m.). Die Ueberreste von Kunstwerken im freien Privatbesitz sind, wenn auch immerhin bedeutend, so doch weit geringer als man allgemein annimmt.

Zwischen dem freien privaten Kunstbesitz und den öffentlichen Sammlungen stehen die Feideicommiß-Sammlungen mitten inne. Während die italienische Regierung die Gesetze über jene erstgenannten Kunstwerke bisher hat bestehen lassen, konnten die Fideicommiß-Galerien ihrem Charakter gemäß von den politischen und socialen Um­wälzungen, wenigstens in ihrer äußeren Form, nicht unberührt bleiben.

Im Jahre 1871 erfolgte die Aufhebung aller Familien-Fideicommisse in Italien. Das Gesetz vom 28. Juni 1871, welches diese Aufhebung anordnete, ließ (Art. 4) bis durch ein Specialgesetz andere Verfügungen getroffen sein würden, die Galerien, Bibliotheken und andere Sammlungen von Kunstwerken und Alterthümern als untheilbar und unveräußerlich bestehen" (rimaranno inäivise iualisnabili). Das schon für die folgende Session in Aussicht gestellte Specialgesetz ist bisher nicht vorgelegt worden.

Diese Bestimmungen des Gesetzes vom 28. Juni 1871 erfuhren im Jahre 1883, bei Gelegenheit der Erwerbung des Pal. Corsini, durch das Gesetz vom 8. Juli in­sofern eine Einschränkung, als die Veräußerung dieser Theile der früheren Fidei- commisse an den Staat, die Provinzen, Communen, Institute und andere weltliche nationale Körperschaften für zulässig erklärt wurde.

Durch diese Gesetze sind gebunden: die Sammlungen der Barberini (Quattro Fontane), der Barberini (Colonna di Sciarra), Borghese (Palazzo und Villa), Colonna, Doria Pamphili, Ludovisi Boncompagni, Rospigliosi und der Spada Verallo.

Nur ein neues Gesetz könnte eine Aeuderung dieser Bestimmungen herbeisühren und den augenblicklichen Besitzern der Sammlungen die freie Verfügung über dieselbe geben. Nie und nimmermehr wird das geschehen dürfen! Es fehlt der lebenden Generation überhaupt die Berechtigung, die Ansprüche ihrer Nachkommen auf die Fideicommiß-Sammlungen aufzugebeu. Auch sie hat, wie der Inhaber des Fidei-