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Deutsche Rundschau.
commisfes, kein Recht der Verfügung zu Gunsten Einzelner; sie hat auch ihrerseits einzig und allein die Pflicht zu bewahren! Die Rechte, welche die Allgemeinheit aus dem Ursprünge der Fideicommisse herzuleiten hat, können durch die Aenderung der rechtlichen Form der Stiftungen, auch abgesehen von der im Gesetze ausgesprochenen Wahrung der Rechte Dritter, nicht berührt worden fein.
Bekannt genug sind die Umstände, die der Angelegenheit den Charakter einer brennenden Frage gegeben haben; nur zu gut bekannt sind die Neigungen einiger dieser edlen Familien, allen Bullen und Testamenten hoher Ahnen zum Trotz, die ihnen anvertrauten Kunstschätze als ihr Privateigenthum veräußern zu wollen; bekannt die finanziellen Schwierigkeiten mehrerer derselben und die Versuche der Gläubiger, sich durch den Verkauf der Kunstwerke bezahlt zu machen*).
Ganz Italien und im Besonderen die Bevölkerung Roms betrachtet die Erhaltung der römischen Fideicommiß-Galerien als eine Angelegenheit von vitalem Interesse, als eine Herzensangelegenheit; seit langer Zeit bilden sie den Gegenstand leidenschaftlicher Erörterung durch Wort und Schrift. Das Volk sieht voll banger Sorge die Entscheidung herannahen und erhofft von der Einsicht und Energie seiner Vertreter und seiner Regierung die Erhaltung der Sammlungen, die seit Jahrhunderten eine charakteristische Seite der Gesammterscheinung des künstlerischen Rom bilden.
Die Regierung hat, so lange die bestehenden Gesetze gelten, vor Allem die Pflicht, zu verhindern, daß der Besitzstand dieser Sammlungen geschädigt werde, zu sorgen, daß das unzweifelhafte Recht des Publicums, die Sammlungen frei besichtigen zu dürfen, gewahrt bleibe. Das sind die Forderungen des Augenblickes. Es wird aber auch ihre Aufgabe sein, durch eine gründliche Prüfung der rechtlichen Grundlagen, der Urkunden und der historischen Entwickelung die Rechte der Nation festzustellen, um gewaffnet dem Entscheidungskampfe entgegengehen zu können, der gewiß nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen wird.
Besser freilich und würdiger wäre es, wenn er vermieden werden könnte, wenn die finanziellen Verhältnisse es gestatteten, die verkaufslustigen Besitzer der Sammlungen durch eine angemessene Entschädigung abzufinden — denn nur von einer solchen könnte die Rede sein, nicht etwa von einer Bezahlung des Marktwerthes — und endlich der Nation ihr Eigenthum zurück zu gewinnen.
Einen ganz anderen Charakter zeigt das Verhältniß der Staatsregierung zu der vierten und letzten Gruppe der Kunstdenkmäler, die nicht ihrer unmittelbaren Verwaltung unterstellt sind, zu denen, die unzweifelhaftes öffentliches Eigenthum bilden, aber der Obhut anderweitiger Verwaltungsorgane anvertraut sind: die von Kommunen angelegt oder aus säcularisirten Klöstern und Kirchen oder durch Stiftungen ihnen überwiesen worden, ferner Zu den Kunstwerken, die sich im Besitze der sogenannten „bmti morullZ der Körperschaften, Gesellschaften re., die eine juristische Person darstellen, befinden, die in Kirchen, Hospitälern re. aufbewahrt werden.
Schon die Gesetzgeber der früheren italienischen Regierungen waren eifrig bemüht, dieser Gruppe von Kunstdenkmälern ihren besonderen Schutz angedeihen zu lassen; leider ohne großen Erfolg. Unter diesen verlassenen, oft fast vergessenen Zeugen der localen Kunstblüthe, der freigebigen Frömmigkeit der Vorfahren haben Unwissenheit und Unehrlichkeit besonders gründlich aufgeräumt. Ein beklagenswerther Verlust nicht allein an sich, sondern auch für die Wissenschaft, die hier die Documente für ihre Forschungen an Ort und Stelle studiren könnte.
Auch jetzt noch sind die Gefahren nicht ganz beseitigt. Nur die größte Wachsamkeit der Regierung wird im Stande fein, die doch noch immer ansehnlichen Reste zu
Der Principe Sciarra hat sich nicht gescheut vor der Entscheidung des Processes, den er gegen die Regierung angestrengt, die werthvoüen Gemälde der Fideicommiß-Sammlung bei Seite zu schaffen, so daß die Regierung mit der Sequestration leider zu spät gekommen ist. Regierung und Parlament haben sich in Folge dessen in diesen Tagen zum Erlaß eines Gesetzes genöthigt gesehen, welches strenge Strafen für die Entfernung oder Beschädigung der Theile dieser Sammlungen festsetzt.