Heft 
(1892) 70
Seite
452
Einzelbild herunterladen

452

Deutsche Rundschau.

Lager. Von da weg begann die Route geradezu fürchterlich zu werden. Stunden um Stunden mußten wir durch zehn Fuß hohes Gras, dessen scharfe Halme uns ins Gesicht schlugen, uns hindurch arbeiten; dann kam wieder nasses Moor, oder wir mußten durch seichte Bäche und kleine Flüsse. Von Zeit zu Zeit stießen wir aus müde Wandrer, die das Fieber niedergeworsen hatte, während sie sich auf dem Weg nach Fort Salisbury befanden, und die nun, zur Umkehr gezwungen, krank und meist auch ruinirt, die Küste wieder zu erreichen suchten. Es waren meist junge, fast ganz mittellose Bursche, die des Nachts Schutz bei den großen Feuern suchten, die von unseren Trägern vor unseren improvisirten Zelten angezündet wurden. So gelangten wir am 10. Juli zwischen drei und vier Uhr Nachmittags nach einem Kraal, Chimois genannt, der, von bewaldeten Hügeln und selsigten Höhen umgeben, an einem Abhang hübsch gelegen, gute Unterkunft versprach. Doch hatten wir während der letzten Tage bei unseren Trägern unzweifelhafte Anzeichen übler Launen beobachtet, und an jenem Abend gelang es uns kaum, ein Stück Geflügel für unsere Abendmahlzeit zu bekommen. Kaum hatten wir uns zur Ruhe begeben, als unsere paar getreuen halbportugiesischen Träger uns Nachts, gegen elf Uhr, mit der Schreckensbotschaft aus dem Schlaf weckten, ihre Kameraden seien geflohen. Die armen Jungen selbst, vier an der Zahl, hatten sich, nachdem sie uns gut untergebracht wußten, in ihren kleinen Zelten nieder­gelegt; einer derselben stand nach ein paar Stunden auf, um Holz aufs Feuer zu Wersen, und wurde bei dieser Gelegenheit die letzten Fliehenden gewahr. Unsere beiden Herren stürzten ihnen nach, selbstverständlich ohne einen derselben zu erreichen, und so glichen wir Schiffbrüchigen, die das Schicksal auf einen unbekannten Strand geschleudert hat- Klagen konnten uns nichts nützen; wir hielten also Kriegsrath, und es wurde beschlossen, daß Mr. Sutton und einer der Jungen zur Bewachung unserer Vorräthe und des Gepäcks Zurückbleiben, wir Uebrigen dagegen, mit den drei Dienern, wie sie sich stolz und zur Unterscheidung von den gewöhnlichen Trägern nannten, unseren Weg nach Umtali, wo der Bischof unser wartete, fortsetzen sollten. Wir packten also Lebens­mittel für drei Tage, Zwieback, Fleischbüchsen und Thee, dazu die unentbehrlichsten Gegenstände zusammen, brachen Samstag, 11. Juli, in aller Frühe aus, marschirten den ganzen Tag, ohne aus besondere Schwierigkeiten zu stoßen, und erreichten am Abend einen herrlichen Wald, wo wir, nach erquickendem Bad in kaltem Bergwasser, die Nacht zubrachten. Als wir am folgenden Morgen, eine Stunde nach dem Auf­bruch , unseren Weg von einer Höhe herab vor uns liegen sahen, entdeckten wir, daß er durch einen fürchterlichen Morast hindurch führte. An den schlimmsten Stellen mußten unsere armen Jungen uns aus die Schultern laden, während sie selbst bis über die Hüsten im sumpfigen Grund einsanken, der sie und uns buchstäblich zu ver­schlingen drohte. Nach den unglaublichsten Anstrengungen gelang es Allen, festen Boden zu gewinnen, und nun begann eine Bergparthie über Felsrücken, durch Schluchten, Schutt und Geröll, Wald und Dickicht, bis nahe vor Massi Kesse, das wir vor Sonnenuntergang erreichten. Man hat uns das Lob gespendet, den Weg von Chimois bis dahin in kürzerer Zeit als die früheren Reisenden zurückgelegt zu haben, und man thut überhaupt Alles, um unser Selbstgefühl zu steigern und uns zu wahrhaftigen Asrikareisenden zu stempeln.

Massi Kesse ist ein aus rother Erde errichtetes Fort, theilweise bereits wieder zusammengesallen, und in schöner anmuthiger Gegend. Den Horizont begrenzen im Halbkreis ziemlich hohe Berge, von denen die zunächstliegenden bewaldet sind. Die Ebene dazwischen erscheint grün und fruchtbar; in Wahrheit aber ist das Gras rauh und ausgetrocknet, fast wie Heu oder Schilf. Als wir Massi Kesse wieder verließen, verloren unsere Jungen den rechten Pfad, und wir mußten im Wald campiren, während sie sich in einem benachbarten Kraal nach dem Weg erkundigten. Glücklicher­weise hatten wir keinen Grund zur Eile mehr, denn wir hatten dem Bischof einen Boten nach Umtali vorausgesendet, unsere Ankunft zu melden. Um unsere Träger nicht zu überbürden, hatten wir unsere Vorräthe auf das Nöthigste beschränkt, und es blieb uns nichts als etwas Cacao und Fleischextrakt. Der letzte Tag des Marsches sollte aber einer der mühevollsten von allen sein, die wir bestanden hatten. Bei