Vom Cap nach Umtali, Mashonaland.
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glühender Hitze stiegen wir fortwährend über steile Abhänge, pasfirten Flüsse und Bäche, deren Bett ganz ausgetrocknet war, so daß kein Tropfen Wasser unseren Durst löschte, und selbst die Eingeborenen, deren Glieder aus Stahl zu sein schienen, völliger Erschöpfung nahe waren. Endlich fand sich, unter dem Schatten einiger Bananen, frisches Wasser und so viel Brennmaterial, daß wir ein Feuerchen anzünden und etwas Suppe bereiten konnten. Dann aber begann das Klettern über Stock und Stein von Neuem und währte von ein Uhr bis gegen vier Uhr Nachmittags, wo das hohe Gras wieder begann und die Wirkung völligen Schwindels auf unsere herabgestimmten und überangestrengten Nerven hervorbrachte, so daß wir mehr taumelten als bei klarem Bewußtsein voranschritten. Da plötzlich entdeckte I)r. Glanville in der Ferne eine Flagge, Umtali! und es durchdrang uns wie neues Leben. Denn ohne uns die Befürchtung gegenseitig zu gestehen, hatten wir stark gezweifelt, ob wir uns auf dem richtigen Weg befänden, da alle an unfern portugiesischen Führer aus Massi Kesse gerichteten Fragen mit Achselzucken und den wenig beruhigenden Worten: „Es ist vielleicht der rechte Weg, aber vielleicht ist es auch nicht der rechte Weg", beantwortet worden waren. Gerade als wir über das ausgetrocknete Bett eines Bergstromes auf einem umgestürzten, querüber liegenden Baumstamm zu kommen suchten, bot sich mir eine ausgestreckte Hand. Ich blickte auf; es war der Bischof, der uns mit warmem Willkommgruß empfing und frische Milch für uns bereit hielt, die wir seit Natal nichts Aehnliches gekostet. Unser Bote hatte ihn erst zwei Stunden früher erreicht, aber unsere Hütten waren für uns in Stand gesetzt, und glücklich brachte er uns bis Umtali. Die Lage ist reizend, Himmel und Wolkenbildungen in diesen Gegenden von besonderer Schönheit. Das künftige „Spital" soll aus vier Hütten, jede mit sechs Betten oder richtiger Lagerstätten, bestehen; Küche, Vorrathskammer und Apotheke, nebst einem Raum sür den Assistenten gesondert errichtet werden. Die Hütte der Krankenwärterinnen steht an einen riesigen Baum gelehnt. Wasser ist genug, aber von schlechter Qualität, vorhanden. Hungersnoth und Fieber haben entsetzlich hier gewüthet; die Menschen lebten von zermalmten Nüssen und ein wenig Mehl, wenn sie im Stande waren, sich das letztere zu kaufen. Zwei Tage vor unserer Ankunft kam eine Wagenladung von Lebensmitteln, sür einen Monat berechnet, aus Fort Salisbury. Die Beamten der „Südafrikanischen Gesellschaft" sind außerordentlich freundlich gegen uns; einer derselben besitzt Kühe und schickt uns Milch. Das Missionshaus des Bischofs liegt wie ein Adlernest aus steiler Felsenkuppe, sechs- bis achthundert Meter von unserer Niederlassung entfernt. Sucht ihn das Fieber dort auf, so muß es in der Luft liegen, und nichts wird dagegen schützen können, was menschliche Vorsicht vermag. Unsere eigene Lage scheint ebenfalls eine sehr gesunde zu sein. Nur müssen wir uns noch in der Kochkunst vervollkommnen und Mahlzeiten herzustellen lernen, die aus keinen bestimmten Stoffen bestehen. An dienenden Händen fehlt es uns nicht. Umtassa, der benachbarte Häuptling, ließ uns feierlich bewillkommnen; einige Tage später erschien seine Tochter, eine Person von hohem Rang, von zwei Dienerinnen gefolgt, die uns Geschenke, Mehl, Eier, süße Kartoffeln und eine fein geflochtene Matte überbrachten. Als Gegengabe boten wir Glasperlen und einen Zinnteller, welcher ihr ganz ungemein zu gefallen schien. Die Schwierigkeit bestand darin, die Häuptlingstochter wieder los zu werden: sie war nur mit äußerster Mühe zum Gehen zu bringen und führte eine eigenthümliche, mit Bronze verzierte Streitaxt als Ziergegenstand mit sich. Im Uebrigen war sie eine große häßliche Frau, un bei Y 6220 äl earue, würden Italiener hinzufügen.
Hier sind wir nun, nach einem Marsch von 190 Meilen, und soweit auf dieser Welt sich etwas vorbestimmen läßt, bis zum April 1898!*)
i) Auf dem Weg nach Fort Salisbury ist der in vorliegenden Briefen häufig genannte Arzt, vr. Doyle - Glanville, inzwischen in wenigen Stunden vom Fieber hingerafft worden. Das geschah im September. Inzwischen hat die gefürchtete Regenzeit begonnen, und über das Schicksal der drei muthigen Schwestern des Rothen Kreuzes zu Umtali fehlt vorläufig jede weitere Nachricht.