Heft 
(1892) 70
Seite
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Deutsche Rundschau.

A. R. Ran gabe.

Unter den Figuren, welche zu Kaiser Wilhelm's Zeit am Hose und in der Gesell­schaft von Berlin sich bewegten, war Alexander Rizo Raugabä sicher eine der be­kanntesten, ja man darf sagen populärsten. Diplomat, Gelehrter, Dichter, war er nicht weniger heimisch in der osficiellen Welt als in der wissenschaftlichen, den Schrift­steller- und Künstlerkreifen unserer Hauptstadt. Er war schon in vorgerücktem Alter, als er zuerst unter uns erschien; aber seine feine, schmächtige Gestalt hatte noch die graziöse Beweglichkeit, sein freundliches Gesicht das gewinnende Lächeln, sein geist­volles Auge den Glanz und zuweilen das Feuer der geistigen Jugend, welche die des Körpers überdauert. Von den höchsten Verdiensten um sein Vaterland und eine der vornehmsten Zierden der wiedererwachenden Literatur seines Volkes, war er trotzdem von der äußersten Bescheidenheit, ohne jeden anderen Ehrgeiz als den, das aufstrebende Hellenenthum unserer Tage zu fördern durch Anknüpfung an eine ferne Vergangenheit und Betheiligung an der heutigen Kulturarbeit. Dieser Aufgabe hat in einem langen Leben Rangabä rühmlich und erfolgreich gedient- Einer Phanariotensamilie zu Constan- tinopel entstammt, hat der Jüngling das Land seiner Väter sich erheben und das schmachvolle Joch von Jahrhunderten abschütteln sehen. In die Gesänge Homer's und die Hymnen Pindar's klangen damals hinein die feurigen Strophen Byron's, die herrlichen Lieder unseres Griechen-Müller, Stimmen der großen westlichen, der germa­nischen Welt, der Welt Shakespeare's und Goethes, welche dem aus Knechtschaft und Nacht sich wieder emporrichtenden griechischen Genius huldigten. Aus dieser Wechsel­wirkung und Verschmelzung des antiken Geistes mit dem modernen ist die Bildung Rangabä's hervorgegangen, welche ihn in so hohem Grade befähigte, der Lehrer seines Volkes und dessen Vertreter bei den anderen Völkern zu sein, bei den Vereinigten Staaten, in Paris, in Constantinopel, zuletzt und am längsten (von 18741886) in Berlin. Er gehörte wie zu uns. Wenn man das zarte Männchen in unserem nordischen Winter, durch das Schneegestöber sich kämpfend, erblickte, so mochte man Wohl wehmüthig an seine südlichere Heimath gemahnt werden. Doch er hatte sich ganz acclimatisirt und unsere Gewohnheiten angenommen. In früher Zeit schon zu München vorgebildet, sprach er deutsch, mit kaum einem liebenswürdigen Anklang von Dialekt; er fühlte mit uns, und einer seiner Söhne kämpfte mit uns im Kriege von 1870. Kaiser Wilhelm war ihm besonders wohlgesinnt, und einem Jeden von uns war er, noch mehr als der Gesandte, der Sohn jenes Landes, das wir über Alles lieben, und in unserem Verhältniß zu ihm, in seinem zu uns, empfanden wir aber­mals, wie sehr Griechenthum und Deutschthum in ihren tiefsten Wurzeln verwandt sind. Einige seiner Dichtungen sind von Sanders, einige von Ellissen ins Deutsche übertragen worden. Wenige Wochen vor seinem Tode kam ihm ein Bändchen des Letzteren zu, der sich um die neugriechische Literatur verdient gemacht wie kaum ein Anderer, und in dieser SammlungAus frohen und trüben Stunden" fanden sich, vortrefflich übersetzt, mehrere Gedichte Rangabä's. In folgenden, deutsch geschriebenen Versen, hat dieser dafür gedankt:

Ms ich der schönen Flur der deuschen" Musen Entzückt mich nahte mit bewegtem Busen,

Erschreckt von ihren himmelhohen Spitzen,

Da sah ich sie frei wandeln dort und sitzen.

Sie reichten mir gastfreundlich ihre Hand,

Mich gütig führend durch das Zauberland.

Viel Jahre schwanden seit den schönen Stunden,

Mein Name wähnt' ich. wäre ganz vergessen;

Mit welcher Freude sah ich ihn indessen In ihrem Blumensträuße eingebunden.