Heft 
(1879) 27
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Theodor Fontane in Berlin.

So laß uns gehen. In einer Stunde schon. Um , elf wart' ich draußen . . . Und nun eile Dich; denn mir brennt der Boden unter den Füßen." Und damit trennten sie sich.

Als Grete gleich darauf wieder drüben in ihrem eigenen Garten war, huschte sie den Zaun entlang und an dem Weinspalier vorbei bis auf den Hof. Hier aber befiel es sie plötzlich, daß sie, beim Eintreten in das Haus, vielleicht ihrem Bruder Gerdt begegnen könne, der, wenn gereizt, nach Art schwacher und abgespannter Naturen, alle Müdigkeit abthun und in Wuthausbrüche gerathen konnte. Wenn er ihr jetzt in den Weg trat? wenn er sie mißhandelte? Sie zitterte bei dem Gedanken, und schlich so geräuschlos wie möglich die Treppe hinauf. Als sie bei der nur angelehnten Thüre des Hinterzimmers vorüber kam, hörte sie, daß Trud und Gerdt miteinander sprachen.Sie muß aus dem Haus", sagte Trud,ich mag die Hexe nicht länger um mich haben." Aber wohin mit ihr?" " fragte Gerdt.Das findet sich; wo ein Will' ist, ist auch ein Weg, sagt das Sprüchwort. Ich Hab' an die Nonnen von Arendsee gedacht, das ist nicht zu nah und nicht zu weit. Und da gehört sie hin. Denn sie hat ein katholisch Herz, trotz Gigas, und immer wenn sie mit mir spricht, so sucht sie nach dem Käpselchen mit dem Splitter, und hält es mit ihren beiden Händen fest. Und schweigt sie dann, so bewegen sich ihre Lippen, und ich wollte schwören, daß sie zur heiligen Jungfrau betet." Mehr konnte sie nicht erlauschen, denn das Kind, das bis dahin ruhig gelegen, begann wieder zu greinen, und Grete benutzte den Moment, und fühlte sich vorsichtig weiter bis an das zweite Treppengeländer und in ihre Giebelstube hinauf.

Ter Mond schien aus die Dächer gegenüber, und sein zurücksallcnder Schein gab gerade Licht genug, nur alles deutlich erkennen zu lassen. Die Thür zu der Kammer nebenan stand offen, und Regine saß eingeschlascn am Fußende des Bettes,'s ist gut so", sagte Grete und öffnete Schrank und Truhe, nahm heraus, was ihr gut dünkte, band ein schwarzes Seidentuch um ihren Kopf, und verbarg unter ihrem Mieder ein kleines Perlenhalsband, das ihr, an ihrem Einsegnungstage, vom alten Jacob Minde geschenkt worden war. Anderes hatte sie nicht. Und nun war sie fertig, und hielt ihr Bündel in Händen. Aber sie konnte noch nicht fort. Nicht so. Und an der Schwelle der Kammerthür kniete sie nieder und rief Gott um seinen Beistand an, auch um seine Verzeihung, wenn es ein Unrecht sei, was sie vorhabe. Und heiße Thränen begleiteten ihr Gebet. Dann erhob sie sich, und küßte Reginen, die schlaftrunken auffnhr und den Namen ihres Lieblings nannte; aber ehe sie den Schlaf völlig abschütteln und sich wieder zurecht finden konnte, war Grete fort und glitt, mit ihrer Rechten sich aufstützend, die steilen Stufen der Oberstiege hinunter. Und nun horchte sie wieder. Das Kind wimmerte noch leis und die Wiege ging in heftiger Schaukelbewegung, während Trud, über das Kind