Grete Min de.
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Ausdruck an. Das Kind aber hielt sie mit der Linken unter ihrem Mantel.
Gerdt war in seiner bequemen Lage geblieben und sah an die Zimmerdecke hinauf. Endlich sagte er: „Buße! Nein, Grete, Du bist nicht bußfertig geworden. Ich kenne Dich besser, Dich und Deinen stolzen Sinn. Und in Deiner Stimme klingt nichts von Demuth. Aber auch wenn Du Demuth gelernt hättest, unsere Schwester kann nicht unsre Magd sein. Das verbiete uns das Herkommen und das Gerede der Leute."
Grete war in ihrer knieenden Stellung verblieben und sagte:
„Ich dacht' es wohl. Aber wenn ich es nicht sein kann, so sei es das Kind. Ich lieb' es und weil ich es so liebe, mehr als mein Leben, will ich mich von i hm trennen, und will's in andere Hände geben. In Eure Hände Es wird nicht gut und glückliche Tage haben, ich weiß sa welche, aber wenn es nicht in Glück aufwüchst, so wird es doch in Sitt' und Ehren aufwachsen Und das soll es. Und so Ihr Euch seiner schämt, so thut es zu guten Leuten in Pfleg' und Zucht, daß es ihr Kind wird und mich vergißt, und nichts an ihm bleibt von Sünd' und Makel und von dem Flecken seiner Geburt. Erhöre mich, Gerdt; sage sa, und Ihr sollt mich nicht Wiedersehen Ich will fort, weit fort, und mir eine Stelle suchen, zum Leben und zum Sterben. Thn's! Ach, Lieb' und Haß haben mir die Sinne verwirrt und Vieles ist geschehen, das besser nicht geschehen wäre. Aber cs ist nichts Böses an dieser meiner Hand. Hier lieg' ich; ich habe nach vor Dir niedergeworfen nimm mich wieder auf! Hilf mir, und wenn nicht mir, so hilf dem Kind."
Gerdt sah aus die kniende Frau, gleichgültig und mitleidslos, und sagte während er den Kopf hin und her wiegte:
„Ich mag ihm nicht Vater sein und nicht Vormund und Berather. Du hast es so gewollt, nun Hab' es. Es schickt sich gut, daß Du's unterm Mantel trügst, denn ein Mantelkind ist es. Bei seinem vollen Namen will ich's nicht nennen."
Und er ließ sie liegen und griff nach dem Actenbündel, als ob er der Störung müde sei und wieder lesen wolle.
Grete war setzt aufgesprungen und ein Blick unendlichen Hasses schoß aus ihren Augen. Aber sie bezwang sich noch und sagte mit einer Stimme, die plötzlich tonlos und heiser geworden war: „Es ist gut so, Gerdt. Aber
noch ein Wort. Du hast mich nicht erhören wollen in meiner Noth, so höre mich denn in meinem Recht. Ich bin als eine Bittende gekommen, nicht als eine Bettlerin. Denn ich bin keine Bettlerin. Ich bin des reichen Jacob Minde Tochter. Und so will ich denn mein Erbe. Hörst Du, Gerdt, mein Erbe."
Gerdt faltete die Bogen des Aktenstücks zusammen, schlug damit in sein linke Hand und lachte: „Erbe! Woher Erbe, Grete? Was brachte Deine
Mutter ein? Kennst Du das Lied vom Sperling und der Haselnuß? Erbe! Du hast keins. Du hast Dein Kind, das ist alles. Versuch' es bei den Zernitzens, sprich bei dem Alten vor. Der Valtin hat ein Erbe. Und Emrentz denk' ich wird sich freuen Dich zu sehn."