Issue 
(1879) 27
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Ludwig Geiger in Berlin.

und Herrlichkeit der Deutschen unermüdlich verkündet, es ehrt ihn gleicherweise, daß er, im Gegensatz zu den meisten Schriftstellern jener Zeit, in den Schweden, trotz der religiösen Bundesgenossenschaft, die nationalen Feinde sieht, deren Begehr­lichkeit er enthüllt, aber es fehlt ihm zur wahren Größe und zur Erzeugung eines mächtigen, nachhaltigen Eindrucks das wahre Vertrauen in sich und die Ueberzeugung, daß seine Wünsche in Erfüllung gehen müssen. Statt Lebens­freudigkeit predigt er Lebensüberdruß, statt Hoffnung verkündet er Entsagung und alsdas Beste in der Welt" bezeichnet er:

Das Beste, was ein Mensch in dieser Welt erlebet,

Ist, daß er endlich stirbt und daß man ihn begrübet.

Die Welt sei, wie sie will, sie Hab' auch, was sie will,

War' Sterben nicht dabei, so gelte sie nicht viel.

Solche Aussprüche sind begreiflich in einer Zeit, in welcher Leben und Eigen­thum gefährdet, Treu und Glauben fast vernichtet sind, aber sie sind nicht im Stande, die im Sinken begriffene Lebenskraft zu erheben.

Wenn die bisher erwähnten Werke die einzigen wären, welche uns, durch Ungunst der Zeiten, aus der Epoche des dreißigjährigen Krieges erhalten wären, so würden wir wol eine Anschauung einzelner Zustände besitzen, aber nicht eine lebendige Vorstellung der ganzen Zeit in ihrer erschreckenden Furchtbarkeit. Eine solche ist uns aber in dem Roman Simplicissimus" des Hans Jakob Christof von Grimmelshausen erhalten. Der genannte Roman, nicht das einzige Werk unsers Verfassers, sondern das erste in einer ziemlich langen Reihe ähnlicher Schriften, ist freilich erst 20 Jahre nach dem Frieden erschienen (1669), aber es schildert die Zeit des Krieges uud lehnt sich an Vorgänge an, deren Zuschauer der Verfasser selbst, bald leidend, bald mithandelnd, war. Seit 1635 nämlich, in welchem Jahre er, der zehnjährige Knabe als Gefangener fortgeschleppt wurde, bis zum Ende des Krieges war er selbst an dem Kriege betheiligt, erst später suchte er sich Kenntnisse anzueignen, begann bald zu schriftstellern und wurde, nachdem er zum Katholicismus übergetreten, 1665 Amtmann zu Renchen. Dieser Uebertritt bedeutet bei ihm keine innere Wandlung, sondern ist ein äußerlicher Schritt, der ihm die Erlangung des Amtes möglich machen soll; trotz der Annahme dieser Religion bleibt Grimmelshausen ein freisinniger Mann, der die Duldung Andersgläubiger vertheidigt, Heuchelei und Scheinheiligkeit verdammt, und die Verderbtheit der Priester auf's Stärkste tadelt. Wie die religiöse, so liebte er die politische Freiheit und trug daher, als diese 1675 durch den Einfall der Franzosen bedroht schien, kein Bedenken, nochmals die Waffen zu ergreifen und gegen die Feinde zu ziehen. Bald nach der Rückkehr aus diesem Kriege ist er am 17. August 1676 und zwar ohne die letzte Oelung gestorben.

Versuchen wir den Inhalt seines hochbedeutenden Romans anzugeben: Melchior Sternfels von Fuchsheim, der Held unseres Romans, ist der