Issue 
(1879) 27
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3s)8 - Ludwig Geiger iii Berlin.

eines Narren, aber bereits eines solchen, der nicht in Thorheit befangen närrische Dinge sagt, sondern der die Schwächen der Menschen erkennend die Laster Anderer geißelt. Als solcher wird er auch von dem alten Hof­meister erkannt, der ihm von dem General beigegeben wird, welcher, seine Selbstgespräche belauschend, sein innerstes Wesen ergründet und ihm die Zukunft voraussagt. Aber der Hofmeister stirbt bald eines gewaltsamen Todes, Simplicissimus, seines Narrenpostens entlassen, geräth in eine schlimme Lage, die sich dadurch noch mehr verschlechtert, daß er Weiberkleidnng anzieht, durch welche er manchen Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen gehofft hatte, und wird aus derselben durch seinen Freund, den Sohn jenes Hof­meisters, Herzbruder, gerettet, mit dem er für das Leben innige Gemeinschaft schließt.

Nun aber sind seine Lehrjahre zu Ende, die Wanderjahre beginnen. Der Jüngling reichen Geistes, wenn auch noch ziemlich reinen Sinnes, tritt in die Welt ein und die finstern Mächte der Welt, die schon früher von ihm erkannt waren, aber ihn zu beherrschen vergeblich versucht hatten, sind nun in ihren Anschlägen auf ihn glücklicher und reißen ihn fort in den Strudel der Lüste und des Verbrechens. So lange der Knabe das Narrengewand trug, war er weise und gut, sobald er die äußerliche Absonderung von den Menschen aufgiebt, vermag er auch nicht mehr, sich innerlich von ihnen, von der allgemeinen Verderbtheit entfernt zu halten.

Er zieht dem Glücke nach. In dieser Jagd hat er in Schönheit und Jugend helfende Göttinnen. Rasch gelangt er zu angesehener Stellung, rasch sammelt er Schätze; da wird er von den Schweden gefangen, zu Nichtsthun verdammt und dadurch den Frauen zugesührt, die bisher in seinem Leben keine Rolle gespielt hatten. Ohne wahre Neigung taumelt er von einem leicht erworbenen Genuß zum andern; als ihm zum ersten Male von der schönen Tochter eines hohen Offiziers Widerstand entgegengesetzt wird, versucht er, nur um seinen Ruhm als Frauenheld nicht schmälern zu lassen, den Widerstand zu brechen, wird aber nun genöthigt, das Mädchen zu heirathen. Doch bald reißt er sich aus dem verhaßten Zwang los. Angeblich um sein Geld zu erheben, das er bei einem Kaufmann in einer größeren Stadt uiedergelegt, in Wirklichkeit aber, um seine alte Freiheit wiederzugewinnen, reist er nach Köln, schließt sich hier Abenteurern an und kommt mit ihnen nach Paris. Hier wird er Schauspieler und der Beifall, den er uns der Bühne findet, verschafft ihm solches Glück bei den Frauen, daß er, der früher Unersättliche, übersättigt ihnen entfliehen muß. Er kommt wieder nach Deutschland zurück, wo der Krieg noch nicht ausgetobt hat.

Aber der Charakter desselben ist noch wüster, noch schrecklicher geworden, Hatte es sich früher wenigstens in gewissem Maße noch darum gehandelt, große Grundsätze zu verfechten, den Gegensatz zwischen kaiserlicher und fürstlicher Macht, zwischen Katholieismus und Protestantismus, zum Aus­druck zu bringen, so galt es in den letzten Jahren dieses schaudervollen