Issue 
(1879) 27
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Der dreißigjährige Krieg und die deutsche Literatur.

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Krieges nur die Ländergier und Beutesucht zu befriedigen. In dem ent­setzlichen Treiben der wilden Horden thut es Simplicissimus den Genossen gleich, aber bei unmenschlichen Thaten bewahrt er doch menschliche Gesinnungen und Gefühle.

Nachdem er sich einem verbrecherischen Gesellen angeschlossen, mit dem er viele Unthateu begeht und von dem er, nach dem Tode desselben, reiche Beule für sich nimmt, erkennt er in einem herumziehenden elenden Bettler seinen alten Freund Herzbruder, den er aus seinem Elend herauszieht. Schon durch ihn werden die Gefühle des Guten in Simplicissimus auf's diene erweckt, fromme Gedanken, welche ihn nie ganz verlassen haben, so daß er, wie er sich einmal ausdrückt, mit frommeren Sinn zum Rauben ausgegangeu sei, als Andere in die Kirche, kehren in ihn ein; er gedenkt mit Herzbruder eine Wallfahrt zu unternehmen, da verschlingen ihn anf's Neue die Wogen des Krieges. Aber bald stirbt Herzbruder, Simplicissimus steht allein, der Friede wird geschlossen. Nun sucht er, da das Abenteurer­leben ein gewaltsames Ende gefunden hat, in den bürgerlichen Zustand sich wieder hineinzuleben, und da er Kunde davon erhält, daß seine erste, wider- feinen Willen ihm verbundene nnd treulos von ihm verlassene Frau gestorben ist, schließt er ein neues Eheband. Aber er ist in seiner Wahl unglücklich und besitzt auch in sich noch nicht die Lust uud die Bedingungen zu eurem ruhigen wahrhaft beglückenden Leben. Seine Frau ist sein verzerrtes Abbild; auch sie lebt in Schwelgerei und Sittenlosigkeit. Und als in einer Nacht seine Frau ein Kind bekommt, das seinem Knecht, seine Magd eins, das ihm selbst ähnlich sieht und von einer dritten Frau eins auf seine Schwelle gelegt wird, das ihm gleichfalls angehören soll, da entflieht er auf's Neue den äußeren Banden, die ihn nicht zu fesseln vermochten, uni sich selbst Bande anzulegen, die vermögend seien, ihn zum wahrhaften Menschen zu machen.

Bon dem ärmlichen Dorfe, in welchem dürftige, aber redliche Menschen seine Pflegeeltern gewesen waren, war er ausgegangen, nach wilddurchbrachten Jahren einer langen Pilgerfahrt kehrt er in das Dorf zurück, das die Stätte seiner Kinderzeit gewesen war. Noch lebt feinKnan" (Pflegevater), der ihm erzählt, wer seine Eltern gewesen, und ihm durch die Erinnerung an seine Mutter, die edle Frau, welche aus wahrer Liebe gefehlt, an seinen Vater, der aus Schmerz über seine Sünden und aus Trauer über den Tod seiner Geliebten ein verfehltes Leben durch Einkehr in sich, durch ein mühseliges gottesdienstlichen Uebungen und qualvoller Buße geweihtes Alter zu sühnen versucht hatte, das Verlangen erweckt, seinen Erzeugern gleich zu werden, noch sind die Stätten, aus denen er zuerst verweilte, vorhanden, welche die träumerisch­glückseligen Jugendtage ihm zurückrufen und grausam an die verlorene Un­schuld erinnern.

Da erzählen ihm andere Bauern von den Wundern des Mummelsees im Schwarzwalde. Er zieht dorthin und erfährt von dem Fürsten des Sees, daß die Wassergeister, so sehr sie dem Menschen an Macht überlegen seien,