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„Johannes". - Walter Schott und seine Werke.
ganz lockere, auf die Täuschung schwacher Augen berechnete Verbindung hält den äußeren Zusammenhang aufrecht — gebrechliches Zinnlot, das die unverschmolzen nebeneinander liegenden Erzbarreu so obenhin vereint. Es ist eine mühselige Häufung von Sensationen und packenden Einzelheiten, die den doch so eintönigen Charakter des Helden immer mehr verwirren, statt zu entschleiern. Und man giebt endlich das Nachgrübeln darüber aus, hält sich dafür an die pomphaften Sardou-Effekte, an denen auch der neueste Sudermann reich ist, und die ihren Eindruck nie verfehlen können, weil sie unmittelbar auf die Nerven fallen.
Ein dämonischer Reiz geht von ihnen ans und erobert selbst den widerstrebenden Zuschauer, der die raffinierte Mache durchschaut und sich von der blendenden Technik, dem unendlichen Fleiß des Theatralikers nicht über die Seelenlosigkeit des Ganzen hinwegtäuschen läßt. Die Kunststückchen werden fast zur Kunst.
Schlechtweg meisterhaft ist in dieser Beziehung der zweite Aufzug zu nennen. Allen Haß seines redlichen Herzens, die Erbitterung eines zertretenen Volkes schleudert der Prophet der gefürsteten Buhlerin entgegen, und während Flammen aus seinem Munde gehen und die Getroffene sich unter den fürchterlichen Hieben windet, läßt ihre Tochter kein Auge von dem Entsetzlichen, Heißgeliebten. Die schimmernde Pracht des Palastes, die aphrodisische Schönheit seiner Bewohnerinnen bilden den Goldgrund, von dem die erhabene Bettlergestalt des Täufers bezwingend großartig losgeht. Und welch ein Bild ist es, wenn die jungen Rosen von Saron heimlich Rosen niederstreuen auf den düsteren Zeloten. Noch eindrucksvoller sind manche Scenen des Schlußaktes, obgleich Sudermann sich hier zuweilen selbst karikiert und die Gestalt des Helden völlig in den Hintergrund schiebt, ohne daß er's selber recht gewahr wird. Salomes Tanz vor Herodes und den vornehmen Gesandten Roms ist ein
unvergeßliches Bühnenbild, an dem Sudermann allerdings kein geistiges Eigentumsrecht hat. Kaum minder lebendig wirkt der Moment, da Johannes in Schmutz und Lumpen vor der strahlenden Versammlung sein Todesurteil hört, der Sieger, der lächelnd den Besiegten verzeiht. Und dann das letzte Bild, das heilige Schauer im Herzen erweckt, trotzdem man sich gegen die Profanierung an dieser Stelle, in diesem Werke sträubt: unter dem Hosiannageschrei der entzückt jauchzenden Menge, unter dem Gewoge unzähliger Palmenzweige zieht, unfern Augen nicht sichtbar, Christus ! ein in die Stadt, deren Richtplatz eben das Blut seines Wegbereiters trinkt. Und schweigend, in bleicher Betroffen- ' heit starren die tafelnden Großen in das rasende Gewühl. Bezeichnend für Sudermanns Art und Vermögen, ein Be- ^ weis für die innere Schwäche seiner Darstellung aber ist -
Ueber Land und Meer. Jll. Okt.-Hefte. XIV. 8.
es, daß der am feinsten ausgeklügelte Schlager müde verpuffte: als Johannes dem Herodes vorm Tempel entgegentritt und den erhobenen Stein nicht schleudern kann, weil ihm Christi Geist in den Arm fällt, da blieb's still im Parkett, die Symbolik des Dichters ergriff nicht, und der dramatische Höhepunkt des Stückes ward zum Nullpunkte.
Alles Brillantgefnnkel der Sprache, die au Zarathustra
gebildet ist, all der überschwengliche Blumenschmuck, der das scenische Gerüst umrankt, verhüllt nicht seine Gebrechlichkeit.
Sudermann ist ehrenvoll an einer Aufgabe gescheitert, deren Schwierigkeiten ihm seiner ganzen Anlage nach nicht
klar genug zum Bewußtsein
kommen konnten; sie hat ihn
nun die Grenzen seiner Kraft
kennen gelehrt. Und unter
diesem Gesichtspunkte betrachtet, darf der „Johannes" vielleicht ein Gewinn für unsre Litteratur genannt werden.
Walier Schott und seine Werke.
Von
Georg Galkand.
ie heutige Bedeutung der plastischen Kunst bei uns hat für den Historiker nichts Ueberraschendes und Unbegreifliches. In ihrer Eigenart scharf ausgeprägte Persönlichkeiten, feste und strenge Begriffe für alle Handlungen unfers öffentlichen Lebens, dazu die aus der stolzen Entwicklung unsers vaterländischen Wesens geborene Neigung zum monumentalen Ausdruck — diese und andre Erscheinungen unsrer Zeit haben offenbar zu der künstlerisch hohen Stellung der Arbeit unsrer Bildhauer die Veranlassung gegeben. Und die „Kunststadt" Berlin, deren Ueberlegenheit aus den Gebieten der Malerei und des Kunstgewerbes anderwärts sicherlich nicht ohne Grund bestritten wird, darf wenigstens aus ihre Bildhauer mit Fug und Recht stolz sein. Haben doch in den letzten Jahren die Berliner Meißelführer sich nahezu auf allen größeren nationalen Konkurrenzen erste oder zweite Preise geholt, und beweisen doch einige in Amerika jüngst ausgeführte, beziehungsweise noch auszuführende Monumente, daß man sogar im fernen Ausland die Fähigkeit unsrer Kräfte sehr zu schützen weiß.
Erfreulich und verheißungsvoll ist ferner der Umstand, daß der Schwerpunkt der plastischen Leistungen in den großen Kunstausstellungen der Reichsmetropole nicht etwa in den Werken der älteren Künstler liegt, obwohl unter diesen Namen von bestem Klange, wie R. Begas, Sieme- ring, O. Lessing, Eberlein, Herter, F. Schaper, Hundrieser Vorkommen. Jüngere Meister, wie Nik. Geiger, L. Manzel, Peter Breuer, Magnussen, I. Götz, W. Schott — um von den jüngsten nicht erst zu reden — bestimmen von
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