Heft 
(1897) 08
Seite
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Weber Land und Meer.

Jahr zu Jahr immer mehr den frischen Eindruck, den nur jetzt auf den Ausstellungen von der zeitgenössischen Skulp­tur empfangen. Als einer der am meisten sympathischen Künstler in der Gruppe der Jüngeren hat Walter Schott die Aufmerksamkeit des Publikums neuerdings durch die Figur einerBallspielerin" in hohem Grade gewonnen. Wie einst der Spanier Goya in zwei Gemälden dasselbe Modell bekleidet und unbekleidet darstellte, so hatte auch Schott diese jugendliche Ball­spielerin, die in ihrer geduckten Hal­tung an das Mo­tiv des berühm­testen der antiken Diskuswerfer er­innert, in zwei­facher Erscheinung, bekleidet und hül­lenlos, auf die Berliner Ausstel­lung 1897 ge­schickt.

Wie alle Künst­ler, die nicht den geraden, bequemen Weg durch die Akademie und die akademischen Mei­stern! eliers neh­

men, sondern sich frühzeitig selbst­ständig und eigen­willig bilden, hat Schott manchmal mit Irrungen und

Wirrungen zu kämpfen gehabt, bevor seine Indi­vidualität in die rechte Bahn ge­langte und sein

Talent die sichere technische und künst­lerische Höhe er­reichte, die seine

letztjährigen Ar­beiten bekunden.

Walter Schott wurde am 18.

September 1861 in Jlsenburg am Harz geboren, wo sein Vater Leiter der Kunstgießerei des Grafen Stol- berg war. An einer gewissen An­regung zu tech­nischer Beschäftigung hat es mithin in der Heimat dem Knaben, der bis zum fünfzehnten Lebensjahr das Gym­nasium zu Wernigerode besuchte, nicht gefehlt. Aber der technische Beruf des Vaters war doch keineswegs das Maß­gebende für seine damalige Gedankenrichtung, und niemals wurde in der Familie das WortKünstler" oderBild­hauer" mit Bezug auf den Sohn gesprochen. Er wollte anfangs vielmehr See-Offizier werden. Aber die wissen­

schaftlichen Vorstudien, das geduldige Verharren am Schreib­tisch des Studierzimmers, während es draußen munter zuging, sagten ihm wenig zu. Lebhaft, phantasievoll, in der frischen Waldnatur fröhlich ausgewachsen, kannte er keine größere Lust, als sich in Wald und Feld unbeauf­sichtigt zu tummeln. Wenn man für Zola als ein wichtiges Moment seiner Entwicklung bezeichnet, daß er

sich monatelang ziellos in den Pariser Gassen hernmgetrieben, lange bevor er ein so begehrter Romanschreiber war und ahnen konnte, daß er es je werden würde, so braucht man auch wohl nicht bei einem Künstler das un­gebundene Jugend­leben in der freien Gottesnatur zu verheimlichen, das sür die Liebe zu jener den Grund legte und den Blick für die Schönheit all ihrer Gebilde schärfte solange, bis er plötzlich zu Messer und weichem Holze griff, um im schöpferischen Drange Gestalten und Formen aus totem Material entstehen zu lassen, Menschen und Tier­körper, was ihm gerade einfiel.

Mit der Ge­burt des Künstler­tums ist es genau wie mit der Liebe. Sie ist da, plötz­lich, unbewußt, noch ohne die späteren mit dem einen wie mit der andern ver­knüpften Lebens­pläne. Das Be­gehren fängt erst an mit der ersten ernsten Frage: Welchen Weg willst du fortan wan­deln ? Entscheide dich, Knabe! Diese alte und doch ewig junge Berufsfrage, die der Vater mit dem Sohn erörtert, sie löst ihm die Sprache und das Geheimnis seiner keuschen Liebe ist damit der Welt preisgegeben.Bildhauer" wollte er werden, und der Vater billigte es und schickte ihn nach Hannover in Dopmeyers Atelier. Dieser Meister, dessen Name nur selten über die Provinz hinaus drang, die er mit einigen tüchtigen Monumenten beschenkt hat, erscheint

Kandelaber, Sanditemgruppe im Neuen Palais zu Potsdam.