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Ueöer Land und Weer.
haben wie Schiffstaue, daß ihr dieses Spiel mit den armseligen Ueberresten eines Toten keinen Grauen erregt. Oder kranke! Aber je mehr man in dem Buche blättert, was in einem Buche mit schlechten Versen, wie „Auf ihm all deine Verse schriebst du sie" und andern, immerhin eine Aufgabe ist, um so mehr kommt man zu der Ueberzeugung, daß diese Natur keineswegs aus dem Geleise geraten und deshalb zu bemitleiden ist, sondern daß sie, robust wie nur jemals eine, ein angesichts des Todes doppelt frivoles Spiel mit Empfindungen treibt. Hermione von Preuschen kommt sich interessant vor als trauernde Witwe, und damit sie auch andern interessant erscheine, diese wahnwitzigen Schmerzensschreie und dieser ganze pomps kunedre, hohl, äußerlich und flitterhaft. Wäre es anders, so würde die Dichterin nicht so ganz am Aeußerlichen haften bleiben. So schildert sie die erschütternde Todesstunde ihres Gatten:
„Stillleben sei mein Feld — so meint die Welt, andres zu malen aber mein Verderben; das Schicksal selber hat mir eins gestellt im eignen Haus: ein großes Glück in Scherben, ein toter Dichter drauf (der eigne Gatte)
— dazu Manschettenknöpfe, Ballkrawatte."
Als sie den Toten auf ihr Lager legt, fällt ihr ein, daß dieses Lager seine Vorgeschichte hat, und sie kann nicht umhin, in dem Requiem auf den zweiten Gatten dieser Vorgeschichte zu gedenken: -
„Mein Eichcnbett,
das ich einst mir gerettet,
als ich brach mit Gewesenem-"
Aber man darf sich darüber nicht wundern, da in diesem „Requiem" von dem Toten überhaupt viel weniger die Rede ist als von der Lebendigen. Nicht nur klagt Hermione von Preuschen:
„Das hat meine Jugend umgebracht mit einem einzigen Schlag,"
sondern sie erzählt auch, was sie augenblicklich malt, und verfleugt sich dabei zu einem inehr als gewagten Ausdruck schmerzlicher Bitterkeit:
„Von Schweinestndien rings umgeben zum Kirkebild, lehrt mich das Leben die Wahrheit jener alten Worte:
,Das Schwein bringt GlücÜ — dort ans der Pforte trägt heut man deinen Sarg hinab, — wühlten sie meinem Glück das Grab."
Natürlich mißhandelt auch hier die Dichterin wieder die deutsche Sprache. Aber das erscheint mir nebensächlich. Viel trauriger ist es, daß sie einen so banalen und noch dazu schiefen Gedanken festzuhalten versucht hat. Die That- sache läßt sich ja nicht leugnen, daß sich einem nicht selten in der ernstesten Stimmung der allernnwürdigste Gedanke ausdrängt; aber wirklich ernsthafte Naturen schämen sich dessen und halten den Gegensatz des Banalen zum Erhabenen nicht für geistreich. — Auch wie schön sich Hermione von Preuschen geschmückt haben würde, wenn ihr die Trauer nicht dazwischen gekommen wäre, erfahren wir, und damit diese Toilettenpracht in dem Requiem Unterkunft finden kann, wird zum Schluß der Logik ein Schnippchen geschlagen:
„Uns zeigen in der großen Welt, wollten wir dieses Jahr, ich hatte eben mir bestellt Toiletten wunderbar.
Die allerschönste gabst du mir zum Weihnachtsfcst, mein Schatz, orange Seide in Empire, mit schwarzem Pelzbesatz.
Drauf eine Silberspitze, breit lorbeer-lilienbestickt, die waren in der Ewigkeit, im Todesthal gepflückt."
Warum denn im Todesthal gepflückt? Als Konrad Telmann die lorbeer-lilienbestickte Silberspitze kaufte, lebte er doch noch. Einigermaßen verständlich wäre die Pointe
nur, wenn die Empfängerin der Silberspitze plötzlich verblichen wäre. Aber Hermione von Preuschen lebt, und der Leser ihrer Gedichte gewinnt die feste Ueberzeugung aus ihnen, daß sie die „orange Seide in Empire" mit schwarzem Pelzbesatz und Silberspitzen sogar noch einmal tragen wird, wenn Empire nämlich nicht ganz aus der Mode kommen sollte. Aber dann wird das Kleid umgeändert; das bietet gerade bei „Empire" keine unüberwindlichen Schwierigkeiten.
Vielleicht glaubt Hermione von Preuschen, daß der Schmerz nur zu künstlerischer Wirkung gelangen könne, wenn er in möglichster Uebertreibung zum Ausdruck kommt. Das würde Verse erklären wie die folgenden:
„Wie ein Hnnb, von tausend Schwären bedeckt, in Todesqualen doch nicht verreckt, in Todeswnnden mein Herz sich bäumt - —" oder auch:
„Sahst du im Straßenschmutz den Wurm?
Man trat ihm Kopf und Rumpf in Staub, doch bäumt er sich noch blutend auf, wird dennoch nicht des Todes Raub.
So auch mein Herz, das kinderjung und kinderthöricht sehnt und träumt-"
Wenn man das Alter eines Herzens an seinen Erfahrungen mißt, — und gewiß geben die den einzigen Maßstab —, unterschätzt sich Hermione von Preuschen ganz sicher, wenn sie das ihrige „kinderjung" nennt. Die citierten Uebertreibungen aber wirken wie eine Blasphemie, wenn man dicht daneben den Operettenrefrain liest:
„Probat nur ist eine einzige Kur — lachen, lachen und lachen nur!"
Es wäre besser um das Andenken Konrad Telmanns bestellt gewesen, wenn Hermione von Preuschen ihm nicht das Requiem gesungen, wenn sie nicht diese geschmacklosen Ausbrüche ihres Schmerzes in die Welt hinausgeschrieen hätte, von denen sie in unbegreiflicher Verblendung selber sagt:
„Wie nur der Diamant im Glase schreibt,
das Härteste nur Spuren hinterläßt,
die unverwischbar, Zeiten überdauern,
so auch der Schmerz um dich schreibt mir ins Herz
und schleudert in die Welt die schönsten Lieder!"
(Lbinesilche Weainte.
Von
A. Askar Kkaußmarm.
/Am chinesischer Mandarin, ein Richter, gab einein Gold W schmied den Auftrag, ihm zwei Barren Goldes zu besorgen. Der Juwelier führte den Auftrag aus, kam mit den Goldbarren zu dem Richter, und dieser fragte ihn nacb dem Preise.
„Es giebt einen festgesetzten Preis für Gold," erwiderte der Verkäufer, „und jedermann kennt ihn. Von Euch, hoher Herr, aber will ich nur die Hälfte des gewöhnlichen Preises verlangen."
„Gut," sagte der Mandarin, indem er dem Goldschmied einen der Barreil zurückgab, „ich behalte nur den einen und gebe dir den andern zurück, wir sind also quitt."
„Aber..." entgegnete der Verkäufer, bevor er jedoch weiter sprechen konnte, unterbrach ihn wütend der Mandarin: „Du hast deinen eignen Preis ohne Knickern von mir bekommen, und du klagst noch? Scher dich hinaus, oder ich lasse dich ins Gefängnis werfen!"
Diese Anekdote, die einem chinesischen Zeitungsblatte entstammt, ist bezeichnend für den Typus des Mandarins, das heißt für den des Beamten in China. So sieht der Mandarin in der Praxis ans, habgierig, betrügerisch und erpresserisch.
In der Theorie nimmt sich der Mandarin allerdings ganz anders aus. Die chinesischen Gesetzgeber gedachten wirklich nur die hervorragendsten Geister der Nation in die