Heft 
(1897) 09
Seite
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Das moderne Bel'euchtungsivesen.

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4 Centimeter. Das Hefnerlicht ist etwas schwächer als die Normalkerze. Die Leuchtkraft einer Flamme, beispielsweise einer Petroleumlampe, wird uuu bestimmt, indem mau im Finstern einen Stab vor einer weißen Wand in geringer Entfernung aufstellt. Die Normalkerze wird einen Bieter weit von der Wand angebracht; die Lampe dagegen wird so weit zurückgeschoben, bis der Schatten des Stabes, den sie auf der Wand abzeichnet, nicht dunkler ist als der durch die Kerze hervorgebrachte Schatten. Die Lichtstärken ver­halten sich nun wie die Quadrate ihrer Entfernungen. Stand die Lampe zwei Bieter weit von der Wand, so hat sie eine Leuchtkraft von (2x2) vier Meterkerzen. Die Technik hat verschiedene Lichtmesser oder Photometer kon­struiert, die aber alle ans diesem Prinzip beruhein

Das älteste unter den modernen Beleuchtnngsmitteln ist das Leuchtgas. Es wurde in London bereits 1810 fabrikmäßig hergestellt, allein es dauerte ziemlich lange, ehe es sich einbürgerte. Man begegnete dem neuen Licht mit großem Mißtrauen, da es schlecht riecht und leicht explodier- bar ist. So darf man denn behaupten, daß es erst seit etwa fünfzig , sechzig Jahren allgemein im Gebrauch ist und es übrigens noch bleiben wird, trotzdem ihn: die Elektricität heftig zusetzt. Vor etwa fünfzehn Jahren hatte es allerdings den Anschein, als hätte das letzte Stündlein des Gases geschlagen, indessen nahmen die Gas- ingenienre den ihnen von den Elektrotechnikern angebotenen Kampf auf, und man kann nicht behaupten, daß sie ge­schlagen seien. Was dem Gas seine Stellung sichert, ist seine Billigkeit. Die Gaspreise sind zwar noch hoch, doch decken die Rückstände: .Koke, Teer und die ammoniak- haltigen Wasser beinahe den Preis der Steinkohle. Für die Erzeugung einer Leuchtkraft von 100 Kerzen während einer Stunde muß man durchschnittlich zahlen: bei Glüh­licht 25 Pfennig, bei Auerlicht 14,4 Pfennig. Und das Gas kann noch erheblich verwohlfeilert werden. Das be­weist unter anderm der große Preisunterschied für Gas zu Belenchtnngszwecken und für solches zu gewerblicher Verwendung. Allerdings setzt auch ein andres Belenchtnngs- mittel dem Gas heftig zu: das Petroleum, das die Ver­wendung des elfteren im kleinbürgerlichen Haushalt einfchränkt, wenn nicht gar verhindert.

Der Siemenssche Regenerativbrenner kam dem Gas zu Hilfe. Die Neuerung an diesen Brennern bestand darin, daß die Flamme nicht mehr durch die kühle Luft unter­halten wird. Die notwendige Luft wird durch enge Röhren geführt und oberhalb der Flamme bis auf 500 " Celsius erhitzt, wodurch eine vollkommenere Verbrennung der Leucht­stoffe im Leuchtgas erzielt wird. Der Siemenssche Brenner setzte den Preis für die Flamme herab und ist auch heute weit billiger als Anerlicht. Indessen tritt diese Ersparnis erst bei größerem Konsuln von etwa 1000 Liter pro Stunde ein. Im bürgerlichen Haushalt würde der Siemens­brenner keine Gaserfparnis mit sich bringen. Nicht der Gasverbrauch wird geringer, sondern das Licht wird Heller. Dasselbe ist zum Teil auch bei dem Auerlicht der Fall. Auch das Glühlicht ist vorläufig in der Gasersparnis beschränkt. Das normale Glühlicht liefert vierzig bis sechzig Kerzen, doch wäre es nicht möglich, dieselbe Lichtmenge auf vier Flammen von je zehn bis fünfzehn Kerzen zu verteilen, weil eine bestimmte Menge Gas dazu gehört, den Strumpf zur Weißglut zu bringen. Die Ersparnis besteht demnach darin, daß der Gasverbrauch auf ein normales Blaß fest­gelegt ist, und daß das Licht einen größeren Glanz besitzt als das eines Argand- oder gar eines Schnittbrenners. Im Privatgebranch stellt sich also das Glühlicht deshalb billiger, weil zur Erzielung des gewünschten Lichteffektes weniger Flammen nötig sind. Bei der Straßenbeleuchtung dagegen ist der Gewinn so groß, weil bisher Schnittbrenner ver­wendet werden, die einen Aufwand von 36 Pfennig pro

100 Kerzenstnnden erfordern. Im übrigen wird der Auer- brenner, der mit dem einfachen Bunsenbrenner identisch ist, durch den Apparat von Denayrouse überflügelt, der der Flamme eine größere Menge von Luft znfnhrt und die Heizkraft des Gases verdoppelt, so daß nicht mehr die vom Auerbrenner verzehrte Gasmenge notwendig ist, um den Strumpf zur Weißglut zu bringen.

Wie der Glühstrumpf hergestellt wird, dürfte allgemein bekannt sein. Ein Baumwollgewebe, das viermal so lang und so weit ist als der fertige Strumpf, wird rein ge­waschen, dann in eine Thoriumlösnng getaucht und getrocknet. Das eine Ende wird znsainmengebunden, der Strumpf er­hält die Form, die allen bekannt ist, und wird geglüht. Das Baumwollgewebe wird dadurch zerstört, der Strumpf ist ans einem vegetabilischen ein mineralischer geworden und schrumpft auf den vierten Teil seiner Größe zusammen. Thorium war früher ein unbenutztes Mineral, das in einer einzigen Grube in Oesterreich abgebaut wurde. Die deutsche Gasglühlichtgesellschaft hatte einen Vertrag auf 1000 Mark pro Kilogramm abgeschlossen. Infolge der großen Nach­frage stieg der Preis auf 800010 000 Mark, doch fand man den plötzlich kostbar gewordenen Sand auch an andern Stellen, so daß der Preis rasch sank. Heute kostet das Kilo etwa 200 Mark oder etwas darüber, und die fabrik­mäßige Herstellung eines Glühstrumpfes beträgt etwa 30 bis 35 Pfennig.

Das nächstälteste Betenchtungsmittel ist das Petroleum, das weder die Elektricität noch das Leuchtgas verdrängen werden, weil es billig und seine Lichtstärke teilbar ist, was bei den andern Beleuchtungsmitteln nicht zutrisft, und keiner besonderen Vorrichtungen bedarf. Die Petroleumlampe kann man hinstellen, wohin man will, sie bedarf keiner besonderen Zuleitungen, und das Licht ist nicht unangenehm. Die Erdölslamme ist das Licht des kleinen Mannes und wird es noch auf lange hinaus bleiben. Aber auch hier zeigt es sich, daß die großen Rnndbrenner und die Brenner von Schuster und Baar für Solaröl weit billiger sind als die Flachbrenner und kleineren Flammen. Ein großer Argand- brenner verzehrt in einer Stunde bei einer Lichtstärke von 100 Kerzen für 46 Pfennig Brennstoff, während 100 Stundenkerzen Gasglühlicht 14,4 Pfennig kosten. Aller­dings sind die 100 Stnndenkerzen nur eine gemeinsame Rednktionsziffer, sozusagen ein gemeinsamer Nenner, denn weder der normale Glühstrumpf noch die Petrokeumflamme giebt 100 Kerzen. Wenn nun die Gasglühlichtgesellschaften berechnen, daß Auerlicht 0,5 Pfennig, Petroleum etwa 2 Pfennig pro Stunde koste, so ist das nur eine theo­retische Berechnung. Wie wir gesehen haben, ist das Glühlicht nicht teilbar; man muß wohl oder übel die 4060 Kerzen­stunden auf einmal verbrennen, wobei sich ergiebt, daß die schwächer glühenden Strümpfe mehr Gas brauchen, um die Rednktionsziffer von 100 Stundenkerzen zu erreichen. Tie kleinen Petroleumbrenner erhöhen den Verbrauch immer auf 100 Stundenkerzen reduziert auf 12 14 Pfennig.

Es ist die Befürchtung ausgesprochen worden, daß das Petroleum teuer werden könnte, und im Reichstag brachte der Abgeordnete Bassermann sogar eine Interpellation über die Operationen der Standard-Oil-Company ein. Der nationalliberale Abgeordnete behauptete, der Leiter der Standard-Oil-Company, Rockenfeller, übrigens ein Würt­tembergs!: von Geburt, drücke die Preise herab, um die Raffineure, die der Company nicht angehören, zu ruinieren, worauf er dann der Welt die Preise diktieren könnte. Diese Befürchtung ist indessen hinfällig. Mag sein, daß Rocken­feller die amerikanischen Outsiders zwingen werde, der Standard-Oil-Company beizutreten, allein den europäischen Konsumenten wird er niemals die Preise diktieren können. Galizien und Rumänien allein können Europas .Konsum decken; außerdem sind Rußlands Quellen unerschöpflich.