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Melier Land und Weer.
annehmen. . . lieber Gott! Als wenn er mir nicht größere Wohlthaten erwiesen hätte mit seinem Kommen..."
Sie brach plötzlich ab und preßte die Lippen fest zusammen. Auf den rosigen Kinderstrumpf fiel ein Tropfen.
„Johanna," sagte Karl etwas unvermittelt, „das Neueste wissen Sie ja noch gar nicht."
Sie fuhr sich wie zufällig mit dem Handrücken über die Augen und versuchte zu lächeln. „Das Neueste?" Es kam ein bißchen besorgt heraus, als fei fie's nicht gewöhnt, gute Neuigkeiten Zu hören.
Karl Wedekind erzählte.
Johannas fleißige Hände sanken in den Schoß. Ihre Augen erweiterten sich, und ihre ausdrucksvollen Züge spiegelten alle Seelenregungen vom ersten ungläubigen Staunen bis zur Hellen Glückseligkeit über die hoffnungsvolle Botschaft rührend wider.
Hubert hatte einen Freund gefunden, einen Gönner, einen einflußreichen, thatkräftigen Verehrer!
Doch bald kamen dieser des Glückes so ungewohnten Seele wieder allerlei Bedenken.
„Aber es ist so schwer, Hubert zu helfen. Und dann — er stößt feine besten Freunde so leicht vor den Kopf. Sie wissen's ja selbst, Herr Doktor."
„Ja," nickte Karl, gedankenvoll an seinem rötlichen Schnurrbart zerrend. „Aber — na! Ein Mensch wie der Berghauer, der den Leuten bis in die Eingeweide sieht. . . Ueberhaupt, nicht wahr, wenn man so den" Zusammenhang kennt — Herrgott, ja! Man ärgert sich mal! Aber man denkt doch: Menschen! Jeder hat feinen Sparren, seine ,Hungersteine'."
Er wunderte sich selbst, wie ihm das Wort in den Mund gekommen war. Mußte er denn immer Huberts Gedanken nachbeten?
Johanna lächelte. „Kennen Sie die auch? Hat Ihnen Hubert erzählt? Und Sie meinen, daß der Herr Konsul..."
„Verlassen Sie sich drauf! Dem kann der Hubert meinetwegen die impertinentesten Gesichter schneiden oder die größten Grobheiten an den Kopf werfen — das rührt den nicht. Das ist er schon längst gewöhnt. Wer's wirklich gut meint mit den Menschen — o je, Johanna, was muß der sich alles gefallen lassen!"
Karl Wedekind fuhr sich, als er an all die bösen Erfahrungen dachte, die seine eigne Menschenliebe ihm schon eingetragen hatte, mit zorniger Gebärde durchs Haar. Das sah so komisch aus zu seinem gutmütigen, harmlosen Gesicht, daß Johanna leise lachte.
„Sie guter Mensch!" sagte sie. Dann schien ihr etwas durch den Kops zu gehen. „Und eine Tochter, sagten Sie, ist auch da?"
„Zwei sogar," antwortete er. Seine eignen Gedanken hatten auch eben bei Lolo geweilt, voll Kummer und Unruhe. Und um sich nicht zu verraten, scherzte er: „Sie sind doch nicht eifersüchtig?"
„Nein," sagte Johanna ernst, „dazu habe ich kein Recht."
„Nun, ich dächte doch!" fuhr er aus.
„Früher, ja," sagte sie leise. „In Göttinger: besonders, da bin ich furchtbar eifersüchtig gewesen. So ein schöner Mensch, und als Dichter — das darf ich ihm ja nicht übelnehmen . . . wenn er nur ein schönes Gesicht sieht, ist er begeistert. . ."
„Natürlich, natürlich!" bekräftigte Karl. Innerlich aber erboste er sich gewaltig, daß sie Hubert auch noch recht gab, wenn er ihr untreu wurde, auch nur in Gedanken.
„Ich bin ja nicht hübsch genug für ihn," sagte sie ruhig, „und nicht klug und nicht gebildet genug."
„Oho!" warf er ein.
„Aber etwas Hab' ich doch, das keine Frau der Welt besser haben kann: meine Liebe für ihn. Und die ist doch schließlich auch was wert."
„Na, ich dächte!" brummte er gerührt.
„Und da Hab' ich manchmal gedacht, wenn er mir schrieb, daß ein Mädchen ihm gefiele — Sie wissen Wohl, als ich in Leipzig war, haben wir zwei Jahre lang korrespondiert — du darfst ihn nicht an dich ketten, Hab' ich gedacht. Er ist Zu Höherem berufen. Ich wär' auch viel zu stolz, um einen sestzuhalten, der nichts mehr von mir wissen will. Und das Hab' ich ihm damals oft gesagt. Er wollte aber nie etwas davon hören."
Karl Wedekind betrachtete sie, wie sie das alles so still und Zuversichtlich vor sich hin sagte. Und was ihm noch vor ein paar Stunden den Kops heiß gemacht hatte, erschien ihm jetzt wie ein bunter Fiebertraum.
,Sie ist seine Frau/ dachte er. ,Das wäscht ihm kein Regen ab. Und wenn er mal zu Gelde kommt, er wäre ja der gemeinste Lump, wenn er sie nicht heiratete!'
„Und jetzt," sagte Johanna, wandte den Kops nach der Kammerthür und nickte, „seit der da drin auf der Welt ist, ich thäte Hubert ja das schwerste Unrecht an, wenn ich eifersüchtig wäre oder ihm gar zutraute —"
Sie sprach nicht zu Ende. Aber ihr Gesicht war ganz hell und heiter.
,Und ich/ dachte Karl Wedekind, ,wäre im stände und schlüge ihm alle Knochen im Leibe entzwei, wenn er dir dein Opfer nicht lohnte, wie du's Verdienst, armes Weib !' (Fortsetzung folge)
Sprüche.
Von
A. stier.
Gieb zu jeder Gabe den Sonnenschein Eines gütigen Wortes obenein!
-X-
Wer andrer Schätzung traut, der handelt oft verkehrt: Ein freier Geist bestimmt sich selbst der Dinge Wert.
-X-
Von der Zunge, aus der Feder Fliegt das Wort;
Unberechenbar trägt's jeder Windhauch fort.
Schicke keins drum in die Weite,.
Das nicht kam
Aus dem Herzeil, zum Geleite Den Verstand nicht nahm!