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Ueöer Land und Meer.
Ms AmMuMM t« den Wnen des Wmns-MBes zu Rem.
W^or einiger Zeit kam aus Rom die überraschende Kunde, TW Professor Marucchi, der Archäologe des Vatikans und Direktor des ägyptischen Muselims daselbst, habe in einem unterirdischen Gemache des Tiberius-Palastes eine in die Malier geritzte große und ausführliche Darstellung der Kreuzigung Christi entdeckt. Wie es hieß, sollten sich darauf alle Einzelheiten des Vorganges, sowie die Namen aller bei dem Kreuzignngsakte beteiligten Soldateil wieder- gegeben finden; zur Zerstreuung jedes Zweifels sei über dem Bilde eine aus den Vorgang bezügliche lind den Namen Christi erwähnende lange lateinische Inschrift angebracht.
Die erwähnte Darstellung, ein sogenanntes Sgrassito, das heißt eine in roher Weise mit einem scharfen Instrument, einem Nagel oder einer Messerspitze in den Mauerbewurf eingeritzte Zeichnung, ist schon seit längerer Zeit bekannt. Der erste, der sie entdeckte, war der 1891 in Rom verstorbene Archäologe Pietro Rosa, der sich vielfach mit den römischen Sgraffiti beschäftigte und auch ein Werk über dieselben herausgab.
Wie es scheint, legte er dem nunmehr als Kreuzigungsdarstellung angesehenen Bilde keine sonderliche Bedeutung bei, und gleiches muß auch wohl bei dem deutschen Gelehrten der Fall gewesen sein, deil Professor Mommseu nach Rom sandte, um dort Studien über die Sgraffiti für sein Corpus Inseriptiouuul Imtiuarum zu machen.
Unter diesen Umständen dürfte Professor Marucchi als der eigentliche Entdecker des in Rede stehenden Sgrassito anzusehen sein, insofern er der erste war, der die Bedeutung desselben erkannte. Aber ist es um die Bedeutung der Darstellung in der That so bestellt, wie man im ersten Augenblick glaubte? Vorderhand ist das noch nicht zu entscheideil, wenigstens nicht mit einem einfachen Ja oder Nein. Die Schwierigkeiten häufen sich hier von allen Seiten, zumal das Sgrassito sich in einem dunkeln, unterirdischen Gange befindet, der nur künstlich zu beleuchten ist. In unfern Abbildungeil geben wir die Lage desselben nach
einer Photographie, den Jnnenraum selbst aber und die bildliche Darstellung darin nach Handzeichnungen wieder. Aus dem Sgrassito gewahrt man acht Persönlichkeiten, von denen jede etwa gegen 15 Centimeter hoch ist. Die Mitte der Darstellung nimmt ein kreuzartiges Gerüst ein, an das zu beiden Seiten Leitern angelehnt sind. Auf dem rechteil Querholz steht ein Soldat, der sich mit einem Hammer zu schaffen macht; ein andrer, der die Leiter emporsteigt, trägt ein Brett oder eine Tafel, die Professor Marucchi für die Tafel mit der bekannten Inschrift des Pilatus hält. Ein dritter Soldat schleppt die Figur, die nach der Allsicht Marucchis Christus darstellen soll, nach dem Gerüst hin. Etwas abseits davon steht eine Gestalt, in der der römische Professor
den Landpsleger Pontius Pilatus erkennen will, lieber derselben ist eine Inschrift angebracht, doch von sehr zweifelhafter Lesart, da sie sowohl ITIk- tus wie kiletus lauten kann, lieber dem Kopf des auf der Leiter stehenden Soldaten gewahrt man das Wort kilus, über dem, der die Tafel trägt, das Wort Xestuius. Ter Soldat, der die Figur heranschleppt , wird als IRüoLMS bezeichnet.
lieber der bildlichen Darstellung ist eine Allzahl von Inschriften angebracht; in ihnen muß der Schwerpunkt für die Deutung des Bildes gesucht werden, lind über sie ist denn schon ein ziemlich heftiger Kampf der Meinungen entbrannt. Als Gegner Professor Marucchis tritt namentlich der Direktor der palatinischeu Ausgrabungen, Professor Gatti, aus, der in der ganzen Darstellung nichts als die Zurichtung zu einer Seiltänzervorstellung erkennen will.
Damit steigen die Schwierigkeiten derart, daß es sich fragen muß, ob mau je zu einer befriedigenden Entwirrung derselben gelangen wird. Sehr bezeichnend und nicht zu Gunsten Professor Marucchis sprechend ist es, daß die Inschriften, soweit sie eine einwandsfreie Lesung gestatteil, zu großem Teil derb - erotischen Inhalts sind. So verwünscht in einem Distichon, das mit den Worten „(Zuisguo ineuru" beginnt, der Schreiber in einer hier nicht gut wiederzugebenden Weise denjenigen, der ihm seine Geliebte ab- ! spenstig machen will, daß ihn in einer wilden Berggegend ein Bär zerfleischen möge. Ein andres Distichon lautet:
Aeußerer Zugang zu dein unterirdischen Gange.
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