Heft 
(1897) 09
Seite
392
Einzelbild herunterladen

392

Ueöer Land und Meer.

Ms AmMuMM t« den Wnen des Wmns-MBes zu Rem.

W^or einiger Zeit kam aus Rom die überraschende Kunde, TW Professor Marucchi, der Archäologe des Vatikans und Direktor des ägyptischen Muselims daselbst, habe in einem unterirdischen Gemache des Tiberius-Palastes eine in die Malier geritzte große und ausführliche Darstellung der Kreuzigung Christi entdeckt. Wie es hieß, sollten sich darauf alle Einzelheiten des Vorganges, sowie die Namen aller bei dem Kreuzignngsakte beteiligten Soldateil wieder- gegeben finden; zur Zerstreuung jedes Zweifels sei über dem Bilde eine aus den Vorgang be­zügliche lind den Namen Christi er­wähnende lange lateinische In­schrift angebracht.

Die erwähnte Darstellung, ein sogenanntes Sgrassito, das heißt eine in roher Weise mit einem scharfen Instru­ment, einem Na­gel oder einer Messerspitze in den Mauerbe­wurf eingeritzte Zeichnung, ist schon seit längerer Zeit bekannt. Der erste, der sie ent­deckte, war der 1891 in Rom ver­storbene Archäo­loge Pietro Rosa, der sich vielfach mit den römischen Sgraffiti beschäf­tigte und auch ein Werk über die­selben herausgab.

Wie es scheint, legte er dem nun­mehr als Kreuzi­gungsdarstellung angesehenen Bilde keine sonderliche Bedeutung bei, und gleiches muß auch wohl bei dem deutschen Gelehrten der Fall gewesen sein, deil Professor Mommseu nach Rom sandte, um dort Studien über die Sgraffiti für sein Corpus Inseriptiouuul Imtiuarum zu machen.

Unter diesen Umständen dürfte Professor Marucchi als der eigentliche Entdecker des in Rede stehenden Sgrassito anzusehen sein, insofern er der erste war, der die Bedeutung desselben erkannte. Aber ist es um die Bedeutung der Darstellung in der That so bestellt, wie man im ersten Augenblick glaubte? Vorderhand ist das noch nicht zu entscheideil, wenigstens nicht mit einem einfachen Ja oder Nein. Die Schwierigkeiten häufen sich hier von allen Seiten, zumal das Sgrassito sich in einem dunkeln, unter­irdischen Gange befindet, der nur künstlich zu beleuchten ist. In unfern Abbildungeil geben wir die Lage desselben nach

einer Photographie, den Jnnenraum selbst aber und die bildliche Darstellung darin nach Handzeichnungen wieder. Aus dem Sgrassito gewahrt man acht Persönlichkeiten, von denen jede etwa gegen 15 Centimeter hoch ist. Die Mitte der Darstellung nimmt ein kreuzartiges Gerüst ein, an das zu beiden Seiten Leitern angelehnt sind. Auf dem rechteil Querholz steht ein Soldat, der sich mit einem Hammer zu schaffen macht; ein andrer, der die Leiter emporsteigt, trägt ein Brett oder eine Tafel, die Professor Marucchi für die Tafel mit der bekannten Inschrift des Pilatus hält. Ein dritter Soldat schleppt die Figur, die nach der Allsicht Marucchis Christus darstellen soll, nach dem Gerüst hin. Etwas abseits davon steht eine Gestalt, in der der römische Professor

den Landpsleger Pontius Pilatus erkennen will, lieber derselben ist eine Inschrift angebracht, doch von sehr zweifel­hafter Lesart, da sie sowohl ITIk- tus wie kiletus lauten kann, lieber dem Kopf des auf der Leiter stehenden Sol­daten gewahrt man das Wort kilus, über dem, der die Tafel trägt, das Wort Xestuius. Ter Soldat, der die Figur heran­schleppt , wird als IRüoLMS be­zeichnet.

lieber der bild­lichen Darstel­lung ist eine Allzahl von In­schriften ange­bracht; in ihnen muß der Schwer­punkt für die Deutung des Bil­des gesucht wer­den, lind über sie ist denn schon ein ziemlich hef­tiger Kampf der Meinungen ent­brannt. Als Geg­ner Professor Marucchis tritt namentlich der Direktor der palatinischeu Ausgrabungen, Professor Gatti, aus, der in der ganzen Darstellung nichts als die Zurichtung zu einer Seiltänzervorstellung erkennen will.

Damit steigen die Schwierigkeiten derart, daß es sich fragen muß, ob mau je zu einer befriedigenden Entwirrung derselben gelangen wird. Sehr bezeichnend und nicht zu Gunsten Professor Marucchis sprechend ist es, daß die Inschriften, soweit sie eine einwandsfreie Lesung gestatteil, zu großem Teil derb - erotischen Inhalts sind. So verwünscht in einem Distichon, das mit den Worten(Zuisguo ineuru" beginnt, der Schreiber in einer hier nicht gut wieder­zugebenden Weise denjenigen, der ihm seine Geliebte ab- ! spenstig machen will, daß ihn in einer wilden Berggegend ein Bär zerfleischen möge. Ein andres Distichon lautet:

Aeußerer Zugang zu dein unterirdischen Gange.

MM

'

MM